Niccolòs Aufstieg
Brauerei? Gefährlich, mein Freund Nicholas. Für so einen Fall gibt es Wächter, Bläser und Menschenketten mit Eimern voll Wasser … Menschen? Nein, die sind alle auf dem Marktplatz und feiern Karneval.
Ich war auf dem Markplatz. Dort habe ich einen Schlag auf den Kopf bekommen. Niemals hätten mich zwei Männer unbemerkt durch dieses Menschengewühl auf den Lagerplatz einer Brauerei schleppen können. Das brauchten sie gar nicht. Auf dem Marktplatz stand ein Wagen voller Fässer. Sie brauchten mir nur im Dunkeln ein Faß überzustülpen. Und es zuzunageln auf dem Weg zum Wagen. Und es dann hinaufzuhieven.
Ein Wagen voller Fässer an Karneval? Ja, voller Fässer, die mit Teer gefüllt waren. Für das Karnevalsfeuer. Das in diesem Jahr ein gewöhnliches Feuer aus Reisigbündeln war. Das war nichts für Brügge. In Brügge wurde ein alter Lastkahn an der Jansbrücke vertäut, mit Teerfässern beladen und dann in Brand gesetzt.
Er war auf dem Lastkahn, mitten im Feuer, und gegen das Prasseln der Flammen und das Grölen der Menge kam keine menschliche Stimme an.
Du hast Luft. Du hast Verstand und gebrauchst ihn gern. Jetzt nutze deine Talente.
Durch das Spundloch blickte er genau auf die eben angezündete Feuersbrunst vorn auf dem Lastkahn. Das Licht, das durch das gesplitterte Holz fiel, war gedämpft. Darum diesen Weg wählen, und schnell. Was bisher nur ein rotes Leuchten durch ein Spundloch gewesen war, wurde zu glühender Hitze, als ein Teerfaß nach dem anderen Feuer fing und in Flammen aufging.
Er trat mit aller Kraft zu, doch der untere Boden des Fasses und die Dauben waren nicht zu erschüttern. Aber oben hatten sie das Faß in der Eile vielleicht nur schlampig zugenagelt. Er zwängte eine Hand an seinem Kopf vorbei aufwärts und stieß zu. Die Nägel lösten sich. An einer Seite sprang der Deckel auf. Mit der freien Hand langte er nach draußen, fand Widerstand, stieß sich und sein Faß ab und setzte damit erneut eine Bewegung in Gang, die ihn gnadenlos herumschleuderte und ihm beinahe den herausgestreckten Arm brach.
Er zog ihn ein, als die Lawine an Schwung gewann. Ein Berg von Fässern war ins Rollen geraten. Durch den halb geöffneten Deckel drang lautes Geschrei zu ihm herein. Ganz Brügge stand am Kanal, um das Karnevalsfeuer und das Feuerwerk zu sehen …
Lieber Gott…
Wenn die Lawine den richtigen Weg nahm, würde er vielleicht mitsamt den Fässern von dem brennenden Lastkahn stürzen.
Wenn ein anderes Faß gegen die Öffnung des seinen prallte, konnte er erschlagen werden. Wenn durch die Öffnung Wasser eindrang, konnte er ertrinken. Da war es vielleicht besser, auf dem Kahn zu bleiben und zu verbrennen.
Diesen Gedanken fand er äußerst komisch. Er merkte, daß er ziemlich betrunken war. Das machte alles noch komischer. Unter Gelächter und Schluckauf flog er in seinem polternden Faß von einer Seite auf die andere; und als es mit Schwung ins Wasser stürzte, sah er flüchtig begeisterte Menschen am hell erleuchteten Ufer stehen und vernahm gutgelaunte Spottrufe über die Unfähigkeit der städtischen Festbeauftragten, denen da mal eben ein Dutzend schlecht geschichteter Fässer davonschwamm.
Das Wasser war teilweise gefroren. Einige Fässer schaukelten in den Wellen, andere schlugen auf Eisschollen auf, so wie sein Faß. Beim Aufprall brach der Boden, dann kippte es um. Zwei Dauben splitterten, aber die Bänder hielten sie zusammen. Verschwommen nahm er wahr, daß er in seinem Behältnis über das Eis schlitterte. Wenn sie das sahen, würden sie das Faß natürlich packen und ins Feuer zurückwerfen. Er mußte sich jetzt unbedingt durch Rufen bemerkbar machen.
Gerade als er sich dazu entschlossen hatte, erreichte das Faß den Rand der Eisscholle, kippte und fiel klatschend ins eiskalte Wasser, das mit einem Schwall in das Faß schlug und ihn völlig durchnäßte. Hustend blieb er in einer Lache schwappenden Wassers liegen, während das Faß weitertrieb und schließlich an die Uferböschung gelangte. Niemand hob es heraus. Niemand hatte es bemerkt.
Noch ganz benommen versuchte Claes nachzudenken. Er streckte die Beine und stieß sie durch den geborstenen Faßboden. Die Kälte des Wassers war betäubend. Er spreizte die Ellbogen im Faß und schob sich mit den Füßen im Schutz der Uferböschung vorwärts. Irgendwo in der Nähe war eine Pferdetränke, eine zum Kanal abfallende Rampe, über die Pferde zum Wasser geführt wurden. Dort konnte er aus dem Faß kriechen und sich unter die
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