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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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aufpassen - wenn er die Turnierkämpfe überlebt - und dafür sorgen, daß er die Schenke nicht zugrunde richtet. Und im Welthandel mit Alaun eine Rolle spielen.« Sie hörte selbst, wie ihre Stimme rauh wurde vom Schmerz in ihrer Kehle, und brach ab.
    Claes wandte sich ab. Sie brauchte ihr Taschentuch nicht, Ihre Wangen waren nicht naß, wenn auch ihre Augen im Licht ein wenig glänzten. Claes’ Haare waren jetzt trocken. Gebürstet würden sie glatt und flach an seinem Kopf liegen, an den Enden merkwürdig kraus, wie versengt. Als er noch jünger war und mit den Lehrlingen oben in der Dachkammer hauste, hatte er sich wie alle anderen Jungen für die Messe herrichten müssen, und sie hatte ihn immer gern gesehen, ein besonderer Junge, der sich von den anderen durch seine Größe und das Schalkgesicht mit den Grübchen und dem aufmerksamen, liebenswürdigen Blick unterschied. Sie hatte ihm am Krankenbett das Haar aus der fieberheißen Stirn gestrichen. Tobias hatte ihn behandelt. Seine Krankheit war einer der Gründe, weshalb sie den Arzt gebeten hatte, in ihre Dienste zu treten.
    Claes hatte sich bei den Frauen immer geholt, was er wollte. Das war sicher eines von vielen unausgesprochenen Themen, Sie konnte nicht so tun, als wäre es keine wichtige Frage. Als ihr jugendlicher Ehemann würde er es sich nicht erlauben können, sie in ihrer eigenen Stadt bloßzustellen. Umsichtig wie er war, würde er derartige Aktivitäten wohl nach außerhalb verlegen. Sie konnte nicht ewige Enthaltsamkeit von ihm verlangen. Sie würde vielleicht noch einmal zwanzig Jahre leben. Dieses Jahr wurde sie vierzig.
    Sie hatte es nicht gesagt, aber alle von ihm aufgezeigten Folgen hatte natürlich auch sie bedacht. Die Verachtung der Frauen der Färbereibesitzer kümmerte sie nicht. Sie hatte keine engen Freunde. Tilde würde natürlich todunglücklich sein, und Felix würde rebellieren. Es war gut möglich, daß sie Leute wie Julius oder die neuen Geschäftsführer verloren, weil die sich in ihrer Stellung geschmälert sehen würden. Aber Claes mit seinen Gaben könnte den Schlag abfangen, mit den Leuten reden, sie umstimmen, könnte mit Tilde fertig werden, wahrscheinlich sogar mit Felix. Und wenn wirklich Leute gingen, wäre er ja da, um neue zu suchen. Er hatte gesagt, die Kaufleute würden sich zu hartem Kampf gegen ihn zusammentun. Aber sie zweifelte keinen Augenblick daran, wer siegen würde. Sie fragte sich wie schon so oft, wie es kam, daß kluge Männer nie erkannten, was sie erkannte.
    Und erinnerte sich, daß einige es sehr wohl erkannt hatten. Und daß es Claes selbst gewesen war, der ihnen das ermöglicht hatte. Das konnte nur heißen, daß er allmählich schlichter Arbeit, schlichter Gesellschaft und wohl auch schlichter Freunde müde wurde. Hätte er nachgedacht, so hätte er vielleicht entdeckt, daß sie ihm im Grunde nicht fehlen würden. Aber er hatte natürlich nachgedacht. Hinter den sachlichen Einwänden steckten alle seine persönlichen.
    Er hatte ihr Zeit gelassen, sich zu fassen, und sie hatte sich gefaßt. »Ich hätte dir sagen sollen, daß ich stolz auf dich bin. Die einzige, die hier versagt hat, bin ich. Du hast mir eine Gabe gebracht, die ich nicht verdiene und mit der ich nichts anzufangen weiß. Aber du hast geglaubt, ich wüßte etwas daraus zu machen, und ich fühle mich geschmeichelt.«
    Sein Blick war ins Feuer gerichtet, die Arme waren um die hochgezogenen Knie geschlungen. Der säuberlich geflickte Riß in seiner Jacke begann sich über seinem angespannten Rücken wieder zu öffnen. Als er ihre Stimme hörte, drehte er sich ein wenig herum, ohne seine Haltung zu ändern. Sein Gesicht erschien ihr plötzlich seltsamerweise älter.
    Er sprach, als hätte er sie nicht gehört. »Ihr habt Freier.«
    Sehr direkt; die Antwort darauf konnte nur ein Eingeständnis sein. Über seine Gründe wollte sie nicht nachdenken. »Ich will keinen von ihnen«, erklärte sie.
    »Eine Ehe«, sagte er bedächtig, »wäre im Vergleich zum Verkauf letztlich das kleinere Übel.«
    Sie verspürte eine unsichere Erheiterung. Er bemerkte es und sagte mit einem schwachen Lächeln: »Für Euch, meine ich. Anfangs wäre es, als verlangte man vom Bürgermeister und von den Schöffen, sich mit Felix’ Stachelschwein ins Bett zu legen. Wir würden über lange Zeit sehr viel Sorgfalt, Umsicht und Aufmerksamkeit brauchen, dazu den festen Willen, an einem Strang zu ziehen. Wir würden Zurückweisungen und Häßlichkeiten aushalten

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