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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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müssen. Und ich müßte schon sehr bald abreisen und es Euch überlassen, mit allem fertig zu werden, was kommt. Aber wenn Gregorio der Mann ist, für den ich ihn halte, könnte ich ihn oberflächlich in das Alaununternehmen einweihen. Das würde ihn an uns binden. Und er würde Euch helfen.« Sie sah offenbar sehr bestürzt aus, denn er brach plötzlich ab.
    Dann fuhr er fort: »Vorausgesetzt, ich darf das Thema noch einmal ansprechen: Ihr habt mir keine Gelegenheit gegeben, Euch die Vorteile einer gemeinschaftlichen Geschäftsführung aus rein sachlicher Sicht aufzuzeigen. Ich habe Euch immer bewundert, geachtet und verehrt. Das ist der Hauptvorteil für mich. Ich weiß gar nicht, ob ich sonst noch einen brauche. Hinzu kommt, daß ich nun einen Anlaß hätte, Bischof Coppini aufzusuchen. Ich müßte ihn ja bitten, dafür zu sorgen, daß der notwendige Dispens gewährt wird, da eine entfernte verwandtschaftliche Beziehung besteht. Ich meine, ich bin der uneheliche Enkel der ersten Ehefrau des Ehemanns Eurer verstorbenen Schwester. Das ist doch richtig so?«
    Er war bereit, seine Entscheidung rückgängig zu machen, wollte sie aber mit dem Hinweis auf die entfernte verwandtschaftliche Beziehung daran erinnern, daß neben dem Alters- und Standesunterschied auch dieser Punkt bedacht sein wollte. Doch in den großen Kaufmanns- und Fürstenhäusern fanden solche ungleichen Heiraten immer wieder statt, wenn es darum ging, den Besitz zu erhalten und Erben zu zeugen.
    Sie allerdings würde mit einem Ehevertrag etwas anderes kaufen: seine Fähigkeiten zum Wohl des Unternehmens. Sie hatte ihren Erben, Felix, und sie hatte ihre Töchter. Claes hatte in seinem Leichtsinn vielleicht ebenso viele uneheliche Kinder in die Welt gesetzt. Auch darüber würde sie nie etwas erfahren. Ihr wurde plötzlich bewußt, daß sie über die Lage nachdachte, als wäre sie Wirklichkeit, als hätte er schon angenommen, was sie vorgeschlagen hatte; dabei hatte er das gar nicht getan.
    Sie stand auf, und gleich stand auch er, nicht zu nahe bei ihr und ohne zu lächeln.
    »Sollen wir es nicht ganz klar aussprechen?« fragte sie. »Dieses Unternehmen braucht einen Mann an der Spitze, und ich habe dich gebeten, diesen Platz zu übernehmen, indem du mich heiratest. Könntest du dir das vorstellen?« Sah sie so erschöpft aus, wie sie sich fühlte? Er sah überhaupt nicht müde aus, war nur stiller als sonst. Er kam nicht näher. Er roch nach Pferden und Leder und Schweiß, aber sie rümpfte nicht die Nase.
    »Ich habe alles bedacht«, antwortete er. »Es ist die beste Lösung. Auch für mich. Jedenfalls denke ich das im Augenblick. Gewisse Dinge haben wir vielleicht übersehen, weil es schon spät ist und wir so lange gesprochen haben. Vielleicht sollten wir es für heute abend dabei belassen? Und morgen schickt Ihr nach mir, so früh es Euch beliebt.« Forschend sah er sie an. »Haltet mich nicht für undankbar. Ich weiß, was Ihr mir anbietet. Ich möchte, daß Ihr noch einmal darüber nachdenkt.«
    »Ich verstehe«, sagte sie. »Ich bin einverstanden. Laß du dir so viel Zeit, wie du brauchst. Wenn du willst, bis zu deiner Abreise.«
    »Nein! Morgen. In aller Frühe.«
    »Gut, ich werde dich holen lassen.«
    Sein bisher angespanntes Gesicht wurde weich. Er sah sie mit einem Lächeln an, das beruhigen wollte. Nach einem kleinen Zögern sagte er: »Dann wünsche ich Euch eine gute Nacht, meine Herrin. Ohne Kummer und ohne Sorgen. Was immer auch daraus entstehen mag, es soll nicht zu Eurem Schaden sein, wenn ich es verhindern kann.«
    Meine Herrin hatte er sie genannt und damit sowohl das Zwanglose als auch das Förmliche vermieden. Er tat immer das Richtige. Fast immer.
    »Gute Nacht«, sagte sie, und lächelnd drehte er sich um und ging hinaus. Sie starrte die Tür an und fragte sich, was sonst er hätte sagen oder tun können, und erkannte, daß es nichts gab.
    Eine Nacht Bedenkzeit. Und morgen eine Entscheidung in aller Frühe, um ihnen beiden längere Peinlichkeiten zu ersparen. Oder - wer würde ihm das verübeln? - aus gänzlich praktischen Gründen. Wenn er dieses gefährliche Geschäft mit Venedig anpacken wollte, mußte er vor seiner Abreise nach Italien noch Auskünfte einholen und Berechnungen anstellen. Und daneben gab es genug anderes, mit dem man sich befassen mußte. Einschließlich Felix.
    Marian de Charetty sank wieder in ihren Sessel. Sie drückte den Kopf mit der drahtverstärkten Haube an das Polster, legte die Arme auf die

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