Niccolòs Aufstieg
auszuüben. Daher habe ich mit ihm über Möglichkeiten gesprochen, wie ich ihm diesen Rang verleihen könnte.« Sie hielt inne.
Gregorio d’Asti, der gern kirchliche Litaneien hörte und Gefallen daran fand, wenn abends mit verteilten Rollen gelesen wurde, hatte das Gefühl, er sei in eine solche Lesung hineingeraten und solle jetzt seinen Teil vortragen. »Ihr wünscht, Euch zu verheiraten? Ganz vortrefflich! Ich wäre selbstverständlich hoch erfreut, Euch bei der Beurkundung behilflich sein zu können.«
Wie über den Rand einer nicht vorhandenen Brille hinweg musterte sie ihn. Ihre Ärmel waren heute morgen viel eleganter als sonst, und ihr verdecktes Haar umschloß ein kürbisförmiger Kopfputz aus Brokat und nicht die übliche drahtverstärkte, fast kriegerisch anmutende Haube aus Voile. »Ihr habt natürlich vor, gleich nach der Hochzeit zu kündigen«, sagte sie. »Ich hoffe, das werdet Ihr nicht tun. Wir brauchen Euch. Und wir stehen kurz davor, sehr viel Geld zu verdienen.«
Davon war er überzeugt. Er fragte sich, was dieser junge Mann wohl zu veräußern gedachte. Wenn er tatsächlich all diese Geschäfte in die Wege geleitet hatte, dann war er sicher ein fähiger Bursche. Er konnte die Frau heiraten, große Teile des Unternehmens abstoßen und nach einem Monat mit dem Gold verschwinden.
»Zum Teil wird das Geld aus der Erweiterung der schon vorhandenen Geschäftszweige stammen. Obwohl Nicholas selbst diese Erweiterung veranlaßt hat und mir auch weiterhin hilfreich zur Seite stehen wird, will er keinen Gewinn daraus ziehen. Alle Firmen und der Grundbesitz, die mir im Augenblick gehören, einschließlich der mir von meinem Vater vererbten Niederlassung in Löwen, müssen so gesichert werden, daß die Erträge nur mir und meinem Sohn zukommen können. Alles, was Nicholas als mein Handelsbeauftragter erwirtschaftet, geht ebenfalls an das Haus Charetty, von dem er einen vereinbarten Lohn beziehen wird.«
Interessant - sie sicherte sich ab. Seiner Miene nach zu urteilen machte das dem jungen Mann überhaupt nichts aus. Nein. Natürlich nicht. »Verzeiht«, sagte Gregorio, »aber habt Ihr nicht auch noch zwei Töchter? Und sind sie nicht auf eine Erbschaft und eine Mitgift von Euch angewiesen?«
Der junge Mann schrieb etwas, dann hob er den Kopf und sah die Frau an. »Das ist es. Ich wußte, wir haben etwas vergessen. Ich könnte den ganzen Tag auf golddurchwirkten Kissen liegen, und Ihr könntet Henning verkaufen und mich mit Diamanten behängen, so daß Felix in seiner Schenke betteln muß und Tilde und Catherine Straßenkehrer heiraten müssen. Eure Ausgaben und mein Lohn müssen kontrolliert werden. Das bedeutet Treuhänder. Das bedeutet gute Buchführung und Buchprüfungen durch einen Unabhängigen.« Er wandte sich an Gregorio. »Wir sind bereits zu dem Schluß gelangt, daß es sich weniger um eine Heirat als um eine Neufassung der vertraglichen Rechte handelt. Aus diesem Grund brauchen wir Euch. Wir möchten, daß es noch heute vormittag erledigt wird.«
So etwas sagten Laien immer. »Ich fürchte«, sagte Gregorio d’Asti, »das ist ganz unmöglich.«
»Hm, das glaube ich nicht«, erwiderte der junge Mann. »Ich habe eine Nachricht an Meester Anselm Adorne geschickt. Er wird den Aktuar, den amtlichen Notar und vielleicht einen der Bürgermeister als Vertreter der Stadt rufen lassen. Sobald wir hier die wichtigsten Probleme besprochen haben, überlasse ich es Euch und der Demoiselle, einen Vertrag aufzusetzen. Mit Meester Anselm werde ich den Zunftmeister der Färber und Meester Bladelin aufsuchen und den Bischof von Terni um Dispens bitten. Auch ihm habe ich eine Nachricht gesandt. Bis Mittag könnten genug Leute im Hotel Jerusalem versammelt sein, um den Vertrag ordnungsgemäß zu besiegeln. Dann kann der Bischof oder andernfalls Meester Anselms eigener Kaplan in der Jerusalemkirche die Trauung abhalten, und alles ist erledigt.«
Gregorio warf der Witwe einen Blick zu. Sie wirkte, als wäre sie trotz allem ein bißchen benommen. Benommen, das beschrieb in keiner Weise, wie er, Gregorio, sich fühlte. In einer Beziehung hatte die Demoiselle recht gehabt. Der Bursche besaß Verstand. Er war gefährlich. Ein Anflug von Mitleid mit Marian de Charetty überkam ihren Rechtskonsulenten. »Ich verstehe«, sagte er. »Das ist alles sehr gut geplant. Aber warum die Eile, wenn ich fragen darf?«
Der junge Mann sah ihn freimütig an. »Weil alle genau das denken werden, was Ihr gerade gedacht habt,
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