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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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gewünscht. Sein Blick verriet ihr nur eines: daß er seinerseits zu erfassen suchte, was sie wirklich wünschte.
    »Du brauchst keine Angst zu haben. Eine richtige Ehe wäre ja beinahe so etwas wie Blutschande. Ich spreche nur von der äußeren Form.«
    Er schnappte einmal hastig nach Luft, als hätte sie ihm Unhöflichkeit vorgeworfen. »Verzeiht. So etwas - das nimmt man nicht auf die leichte Schulter.«
    Sie hätte gern gewußt, was er in ihren Augen sah. Um freundliche Sachlichkeit bemüht, sagte sie: »Das soll dir nur ein Anstoß zum Nachdenken sein. Vielleicht solltest du ein wenig näher kommen. Das ist kein Gespräch für Lauscher.«
    Sie sah an seinem Lächeln, daß er verstanden hatte. Sie wollte ihm zeigen, daß sie seinem Bild von ihr vertraute. Er wußte, daß sie ihn näher bei sich zu haben wünschte; näher, aber nicht zu nahe. Er trug seinen Hocker heran, setzte sich und kreuzte die Arme auf den Knien. Im flackernden Feuerschein zuckte die Narbe in seinem Gesicht wie eine Peitschenschnur.
    »Ich will versuchen, Euch eine sachliche Sicht der Dinge zu geben«, sagte er. »Jeder Eurer Leute wäre entsetzt. Jene, die frei sind, würden Euch wahrscheinlich den Dienst aufkündigen. Die Leibeigenen, denen das nicht möglich ist, würden ihre Arbeit nur mit größtem Widerwillen versehen. Eure Töchter wären zumindest verwirrt und erschrocken. Und Felix würde auf und davon gehen und entweder Mitgefühl bei seinen Freunden suchen oder das Land verlassen.«
    »Du malst ein schlimmes Bild. Aber weiter. Was würde noch geschehen!?«
    »Das wißt Ihr selbst. Die Kaufleute und Handwerker in der Stadt würden mich wohl oder übel akzeptieren, aber ihre Familien gewiß nicht. Ihr würdet feststellen, daß Eure Freunde nicht mehr so gastfreundlich sind wie früher und leider keine Zeit haben, Euch zu besuchen. Es ließe sich nicht verhehlen, daß das Unternehmen aus den Nachrichten Gewinn zieht, die ich auf meinen Reisen sammle: Ich wäre zumindest bei den gewöhnlichen Kaufleuten als Kurier nicht mehr gefragt. Und wenn es mit dem Unternehmen aufwärts ginge, würden Eure Konkurrenten Euch weit härter als üblich bekämpfen. Die Leute, die Euch bisher mit Milde begegnet sind, würden um die Wette versuchen, uns zu übervorteilen. Ihr würdet Eure Freunde verlieren und ich die meinen.«
    »Ja, natürlich«, sagte sie und stand etwas steif aus dem Sessel auf. »Das war eine umfassende Antwort. Niemand würde dabei etwas gewinnen. Ich werde deshalb verkaufen.« Er sprang so heftig auf, daß sie plötzlich begriff, was er denken mußte. »Natürlich erst, wenn für alles gesorgt und auch deine Zukunft gesichert ist.«
    »Großer Gott!« rief er. »Glaubt Ihr im Ernst, ich traue Euch zu, daß Ihr mir etwas aufzwingen wollt? Ihr habt seit meiner Kindheit immer für mich gesorgt. Ich kann jetzt auf eigenen Beinen stehen. Aber am liebsten würde ich Euch und dem Unternehmen dienen.«
    Sie sah ihn an. »Es tut mir leid, aber ich kann nicht weitermachen. Ich möchte lieber verkaufen, solange ich auf mich und auf das, was ich geleistet habe, noch ein wenig stolz sein kann.«
    »Bitte setzt Euch doch wieder«, sagte er und trat etwas unsicher zu ihr, um sie zu ihrem Sessel zurückzugeleiten. Als sie Platz genommen hatte, kniete er sich nicht weit von ihr auf den Boden, den Kopf auf Höhe ihrer Knie, so wie Felix früher, wenn er auf den Fliesen gespielt hatte. »Was wollt Ihr mit dem Geld anfangen, wenn Ihr verkauft? Ein vornehmeres Haus kaufen? Die Frauen der Färbereibesitzer zum Klatsch einladen? Bücher sammeln? Für Felix Pferde und Rüstungen kaufen, so viele er will? Stickarbeiten machen? Die Leute da draußen hätten alle keine Arbeit mehr, wenn der neue Herr sie nicht übernimmt. Ihr hättet nichts zu tun, keine Arbeit, keine Interessen, gältet in der Stadt nicht mehr als eine wohlhabende Witwe. Wollt Ihr das wirklich? Ihr würdet binnen eines Jahres daran zugrunde gehen.«
    »Was dann?«
    »Innerhalb von sechs Monaten werde ich Euch eine Mannschaft zusammenstellen, auf die Ihr Euch verlassen könnt. Wenn jemand ersetzt werden muß, kann ich Euch immer dabei helfen. Ich werde so viel Zeit wie möglich hier verbringen. Macht mich zu Eurem Schreiber, Hilfsverwalter, Faktotum, was immer Ihr wollt.«
    »Ja, das könnte ich tun. Ich kann Cristoffels Anweisungen geben. Löwen verkaufen. Das Geldgeschäft - richtig? - nach Brügge holen und ausbauen. Gregorio einweisen. Die Weinkeller in dem neuen Haus öffnen. Auf Felix

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