Niccolòs Aufstieg
der der eines Schreibers hätte sein können, aber er war dunkelgrün und nicht schwarz, was für seinen Geldbeutel wohl zu teuer gewesen wäre. Sein glattgekämmtes Haar quoll unter dem Rand der schief aufgesetzten Kappe hervor, die ohne Schmuck war. Seine Hose, ebenfalls dunkelgrün, war die einzige ungeflickte, die Margriet je an ihm gesehen hatte. Und sie hatte ihn auch nie zuvor ohne ein Lächeln auf den Lippen gesehen.
Danach gab es ein bemühtes Hochzeitsessen an einem Tisch, der für sie alle in der Halle gedeckt war. Schließlich erwähnte jemand die Flandern-Galeeren, und das Gespräch kam in Gang und schien nicht wieder versiegen zu wollen, denn es war das Thema, das jedem Kaufmann in Brügge am Herzen lag, weil es seinen Geldbeutel unmittelbar betraf. Alvise Duodo, der Narr, hatte also auf dem Heimweg der Flandern-Galeeren nach Venedig in London angelegt. Und natürlich hatte der englische König sie beschlagnahmt, weil er für seinen Krieg gegen seine Verwandten des Hauses York Schiffe brauchte. Angelo Tani und Tommaso Portinari waren vor Entsetzen außer sich. Nicht nur wegen der Tuchverluste. Würde ihre Londoner Niederlassung die Bälle für das Tennisspiel bekommen? Doria hatte Trompeten und Klavichord-Draht mitgeschickt, Jacopo Strozzi Zahnstocher und Spielkarten. Würden die Waren entladen oder die ganze Zeit im Frachtraum bleiben, wenn die Schiffe in die Meeresstraße geschickt würden, um gegen andere Engländer zu kämpfen, die von Calais ausliefen?
Bischof Coppini sprach sehr wenig. Er hatte die Aufgabe, die Engländer in Calais mit den Engländern in England, die die Flandern-Galeeren beschlagnahmt hatten, zu versöhnen. Eine gute Idee, zugegeben. Aber in dem Augenblick, in dem das geschehen und der Friede erklärt war, würde der Papst in der Lage sein, seinen Kreuzzug zu beginnen, um Konstantinopel zurückzuerobern, und der König von Frankreich und der Herzog von Burgund und der König von England (welcher der Lords sich bei der umstrittenen Thronfolge auch immer durchsetzen mochte) hätten keine Ausrede mehr, sondern müßten eine Flotte und ein Heer bereitstellen, um ihm zu helfen. Dann könnte es sein, daß die Flandern- Galeeren demnächst von Herzog Philipp in Sluis beschlagnahmt würden, und ebenso alle schottischen Leichter, portugiesischen Hulke, französischen Kriegsschaluppen, bretonischen Karavellen und Koggen aus Hamburg. Wie sollte ein Kaufmann solche Zeiten überstehen? Man brauchte einen Astrologen.
»Ihr könntet ein Monopol auf dem Fischmarkt anstreben«, sagte der junge Ehemann, dessen wenige Bemerkungen bisher respektvoll gewesen waren und nicht übermäßig dumm. »Fischerboote sind so ungefähr die einzigen Schiffe, die man nicht auf einen Kreuzzug schicken kann. Aber die Fastenzeit nähert sich schon ihrem Ende, so daß vielleicht von einem Einstieg in dieses Gewerbe nicht viel zu erwarten ist.« Der Witz war nicht so übel, und sie hatten genug von Meester Anselms Wein getrunken, um herzhaft zu lachen. Und tatsächlich dachte der eine oder andere im stillen, daß der junge Mann da unwissentlich etwas angesprochen hatte, das ins Auge zu fassen lohnend sein könnte.
Als sie aufbrachen, waren alle guter Stimmung. Als sie nach Hause kamen, neigten sie eher dazu, die Heirat zu verteidigen als anzugreifen. Und sie alle kannten die Bedingungen des Vertrags, warum er abgeschlossen worden war und zu wessen Gunsten. Auf diese Weise hatten nun die mächtigsten Familien in Brügge zumindest die Tatsachen erfahren.
Als der Bischof gegangen war und der Bürgermeister und die Rechtsgelehrten, legte Margriet van der Banck der Neuvermählten den Arm um die rundlichen, hübschen Schultern und zog sie in ihr Schlafzimmer, um sie für den Heimweg herzurichten. Ihr neuer Rechtskonsulent war schon nach Hause zurückgekehrt. Dort würde die Demoiselle selbst, an der Seite ihres Ehemanns, ihren Angestellten die Neuigkeit verkünden. Allerdings nicht sofort, denn zuerst mußte sie es ihrem Sohn und ihren Töchtern sagen.
Eine beängstigende Aussicht nach einem anstrengenden Vormittag. Die Demoiselle war blaß vor Erschöpfung. Es gab nichts, was man ihr mit Worten sagen konnte. Margriet umarmte sie und versuchte ihr stumm zu bedeuten, daß sie eine Freundin sei. Sie war eine stolze Frau, Cornelis’ Witwe. Sie war nicht schwach geworden, ließ aber doch für einen Moment Margriets Umarmung zu. Dann trat sie zurück, stand allein und bedankte sich ruhig.
Später, als die Neuvermählten
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