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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Geschäft gehört nach wie vor der Demoiselle und ihren Kindern. Ihr Rechtskonsulent und der Aktuar werden einen Vertrag aufsetzen, der ihn überhaupt nicht am Gewinn beteiligt. Er will nichts als die Geschäftsführung, die für ihn, wie er sagt, Belohnung und Erfüllung genug bedeute. Ich glaube ihm. Das gab für mich den Ausschlag.«
    »Ihr werdet ihm also helfen?« fragte Margriet. »Ja, vermutlich tut Ihr das wegen des anderen Geschäfts. Ihr bewundert ihn. Ich werde natürlich behilflich sein, soweit ich kann, weil Ihr mein Ehemann seid und mir diese arme Frau leid tut, die gute Freunde brauchen wird. Und ihre Kinder ebenso. Was sagt ihr Sohn dazu?«
    »In dem Brief heißt es, er solle es erst nach der Zeremonie erfahren. Das wünscht seine Mutter, nicht etwa Claes. Oder vielmehr Nicholas, wie wir ihn jetzt wohl nennen sollten.« Er stand auf, ging zu ihr hinüber und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Werdet Ihr ihr also bei der kirchlichen Trauung zur Seite stehen?«
    »Die Kirche!« Margriet schreckte auf. »Wir müssen die Kirche herrichten! Ja, ich werde ihr zur Seite stehen. Eine verheiratete Frau ist in diesem Fall besser als eine unverheiratete, obwohl eine von Rang auch nicht schlecht gewesen wäre. Katelina van Borselen zum Beispiel. Aber sie ist auf dem Weg in die Bretagne. Das wird Gelis ärgern und noch ein paar andere kleine Mädchen, die sich Hoffnungen gemacht hatten.«
    »Und ein paar größere auch«, sagte ihr Ehemann trocken.
    Als an jenem Tag die Mittagsglocke in Brügge läutete, nahmen in der Charetty-Färberei die Walker und Färber, die Stoffspanner und Zuschneider, die Fuhrleute und Pferdeknechte, die Hof- und Lagerarbeiter unter Hennings prüfenden Augen ihre schmutzigen Schürzen ab und gingen zu ihrem Mittagessen nach Hause oder in die Charetty-Küche. Weil Meester Gregorio und die Witwe in unbekannten Angelegenheiten unterwegs waren, verhielten sich die Untergebenen etwas lauter als gewöhnlich, doch sie vermißten Claes, der sie üblicherweise unterhielt. Als Henning es nicht hörte, versuchte einer die Witwe nachzuahmen, wie Claes es manchmal tat, aber er war nicht annähernd so gut.
    In dem hohen Kirchenschiff der Jerusalemkirche war die Glocke auch für jene zu vernehmen, die vor dem eigenartigen, bunten Altar mit den Schädeln und Leitern, den Sinnbildern der Passion, versammelt waren und wo der kleinwüchsige Francesco Coppini, Bischof von Terni, eben die kirchliche Trauung beendete. Auf dem Altar, der mit einem von Margriet van der Banck bestickten Tuch bedeckt war, stand das vergoldete Silberkreuz das Bruchstücke vom Kreuz Christi enthielt, die Anselms Vater und Onkel aus dem Heiligen Land mitgebracht hatten. Zu beiden Seiten des Altars führten schmale Stufen hinauf in die obere Galerie mit der weißen Balustrade, die durch unsichtbare Fenster hoch oben im Turm erhellt wurde. Die Kirche war von den Adornes als Nachbildung der Grabeskirche in Jerusalem erbaut worden und zur Erinnerung an den Ort ihrer Pilgerreise.
    Mit ihrer Kleidung machten die Anwesenden dem herrlichen Gebäude alle Ehre. Margriet trug ihr gutes Brokatkleid mit dem hohen Gürtel, der sich mit der Spitze des breiten Hermelinkragens traf, und ihre Hörnerhaube. Anselm und die Freunde der Adornes vom Stadtrat und den Zünften waren in angemessenen Gewändern erschienen, die knöchellang herabfielen und seidene Revers oder Pelzkragen hatten, und sie trugen robuste Filzhüte in allen Größen. Daß keine Frauen unter ihnen waren, war so gewollt.
    Die Braut war genauso gekleidet wie am Morgen, da sie keine Zeit gehabt hatte, sich umzuziehen: sie trug eine wattierte Haube, die ihr Haar völlig verdeckte, und ein steifes, bescheidenes Kleid mit Hängeärmel und einem viereckigen Ausschnitt sowie eine Halskette mit einem prachtvollen Anhänger. Die unter dem Kinn sichtbare Haut war, wie Margriet feststellte, schön und glatt und durchaus annehmbar. Marian hatte hübsche blaue Augen und gesunde Zähne und gewöhnlich, so konnte man sagen, eine ansprechende Gesichtsfarbe.
    Auch der junge Mann war gekleidet wie am Morgen, als er gekommen war, um alles in die Wege zu leiten. Wenigstens war er nicht in der blauen Charetty-Tracht erschienen, was aus dem Ereignis nicht bloß eine Komödie, sondern eine Farce gemacht hätte. Das Wams aus dunkler Serge paßte ihm so gut, daß es wohl sein eigenes war, vermutlich in Italien von seinem Lohn gekauft. Darüber trug er einen seitlich offenen Überwurf von mittlerer Länge,

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