Niccolòs Aufstieg
Lorenzo Strozzi es immer fertigbrachte, sich vor der Arbeit zu drücken. Aber vielleicht hatte es ja auch zu Mittag geläutet. Nein. Er hatte schon zu Mittag gegessen. Es mußte später sein. An der Tür angekommen, sagte er: »Ich komme nicht raus. Ich habe zu tun. Was wollt ihr?«
»Felix!« sagte Jan. Mehr nicht. Die anderen sagten gar nichts. Sie sahen merkwürdig aus. Gut, sie waren alle nicht für ihr vorteilhaftes Aussehen bekannt, aber sie zogen komische Gesichter. Als wüßten sie etwas und wären nicht sicher, ob es ein Riesenwitz oder eine Katastrophe war. Einen Augenblick war er beunruhigt, dann krümmte sich plötzlich einer der jüngeren Burschen hinten mit auf den Bauch gedrückten Händen zusammen und begann zu prusten, daß es sich anhörte wie das Zischen kochenden Fischsuds. Einige Tröpfchen Spucke landeten auf Felix’ Knöpfen, und er wischte sie angewidert weg.
Bestimmt kein Anlaß zur Sorge, wenn es so lustig war. Eher der Auftakt zu irgendeinem dummen Streich. Auf seine Kosten. »Ich gehe jetzt wieder rein, wenn ihr nichts zu sagen habt«, verkündete er. »Was hast du dir bloß dabei gedacht, solches Pack mitzubringen, Jan? Ade.«
Er wollte hineingehen, aber einer der Schöffen, die nachsichtig die Gruppe umrundet hatten, erreichte die Tür vor ihm, und er mußte warten. Als sich die Tür öffnete, hörte er zu seinem Ärger Jan Adorne von neuem rufen. Wütend fuhr er ein letztes Mal herum und fauchte: »Verschwindet! Macht, daß ihr wegkommt! Ich will euch nicht sehen!«
»Felix!« schrie Jan Adorne. »Der Lehrling Claes hat deine Mutter geheiratet!«
Die Tür fiel zu, ohne daß Felix es bemerkte. »Was?« rief er.
Einer der anderen wiederholte es hilfsbereit, jedes Wort genau artikulierend. »Deine Mutter hat Claes geheiratet.«
»Den Lehrling Claes«, rief jemand von hinten.
Der Hilfsbereite fügte hinzu: »Bei Jan zu Hause. Heute morgen.«
Das war also der Streich, den sie sich ausgedacht hatten. Felix wurde heiß im Gesicht. Hinter der Gruppe seiner sogenannten Freunde zügelte ein Fuhrmann grinsend sein Pferd, und zwei Tuchhändler, die debattierend aus dem Zollhaus traten, blickten sich neugierig um. Jemand hatte die Tür zur Poorterslogie wieder aufgemacht. Drinnen drehten die Leute die Köpfe.
Die Wut trieb Felix vorwärts, die Gruppe seiner Peiniger wich füßescharrend zurück. Hochrot im Gesicht zischte er: »Von wegen Claes und meine Mutter. Euch werd ich’s zeigen! Das macht ihr kein zweites Mal, daß ihr hier vor meinen Freunden so herumschreit. Wenn ich mit euch fertig bin, werdet ihr wünschen, ihr wärt nie geboren. Du kannst dich drauf verlassen, daß meine Mutter zu deinem Vater geht, Jan!«
Sie hatten sich vor ihm zurückgezogen, so weit es ging, und starrten ihn an, während sie sich auf der anderen Seite der schmalen Straße zusammendrängten. Hinter ihm stieg einer der reichen Lehnsherren mit einem Begleiter die Treppe zum Haus hinauf und ging lachend hinein, während der zweite Mann an der offenen Tür stehenblieb und wartete, bis zwei andere sich zu ihm gesellten.
»Du brauchst nur zu Jans Vater zu gehen und ihn zu fragen«, sagte Lorenzo Strozzi. »Er kann dir bestätigen, daß es wahr ist.«
Sie spielten sich gern Streiche. Knifflige Situationen, aus denen man sich irgendwie wieder herauswinden mußte, waren so alltäglich wie Wutanfälle und, manchmal, peinigende Furcht. Aber nicht vor einem ehrwürdigen Versammlungshaus wie der Poorterslogie. Felix, ohnehin nicht sehr phantasiebegabt, war wie gelähmt angesichts dieser Ungeheuerlichkeit und wußte nicht, wie er ihr begegnen sollte. Bei Lorenzos Worten, die etwas ganz und gar Unerträgliches hatten, begann sich sein Magen unter Schmerzwellen zu verkrampfen. Er bestand nur aus Wut. Laut schimpfend rannte er gegen die Freunde an.
Diesmal hielten sie stand, wenn auch nicht mit aller Entschlossenheit. Sie ließen sich seine wilden Schläge gefallen. Wollte einer etwas sagen, wurde ihm von Felix’ Faust der Mund gestopft. Es war lächerlich. Lorenzo, der sich als erster fing, versuchte in bester Absicht, Felix am Arm festzuhalten. Der schlug ihm hart auf die Hand. »Nun gut, wenn du es nicht glauben willst, ist das deine Sache«, sagte Lorenzo aufgebracht und ging.
Die kleineren Jungen rückten näher. John Bonkle, der ganz erhitzt aussah, rief: »Hört endlich auf. Das macht es nur schlimmer. Du hättest es ihm nicht hier sagen sollen, Jan.«
Jan Adorne drehte sich um. »Er wollte ja nicht
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