Niccolòs Aufstieg
gegangen waren, berichtete Margriet Anselm; aber obwohl sie darauf wartete, erzählte er nicht, was geschehen war, als er seinerseits Nicholas in sein Zimmer mitgenommen hatte. Es gab auch nichts zu erzählen. Nach seinem Gast hatte Adorne das stille Örtchen des Hauses aufgesucht und war gerade rechtzeitig in sein Zimmer zurückgekommen, um den jungen Mann, der bisher ganz gelassen gewesen war, zitternd dasitzen zu sehen, als hätte durchs Fenster der Blitz eingeschlagen. Als Nicholas Adorne herankommen hörte, drehte er sich um. Anselm blieb stehen und blickte auf ihn hinunter. »Wieviel Schlaf hast du letzte Nacht bekommen, Nicholas? Gar keinen, scheint mir.«
So holten Männer im Kampf Atem, um dann mit der Luft den Schmerz auszustoßen. So machte es Nicholas, lächelnd, und schüttelte immer noch lächelnd den Kopf. Anselm fragte sich, wo er die letzte Nacht der Freiheit verbracht hatte. Oder gewissermaßen die letzte Nacht der Jugend. »Jeder Bräutigam«, sagte er leichthin, »darf eine Nacht mit seinen Freunden verbringen.«
Er hatte gehofft, Nicholas würde auf den scherzhaften Ton eingehen. Aber seine Augen wanderten, als wäre er schon mit anderen Dingen beschäftigt. »O nein«, erwiderte er. »Ich war die ganze Nacht in meinem Zimmer.«
Anselm Adorne sah ihn an. Dann zog er sich einen Stuhl heran, setzte sich und betrachtete den in sich gekehrten jungen Mann. »Nicholas, du würdest doch nicht gern alles rückgängig machen, wenn du könntest? Wieder aufstehen, wenn die Arbeitsglocke läutet, Stoffe durch die Färberküpen ziehen und mit einfachen Leuten und Kindern umgehen? Es wäre eine Sünde, wenn man bedenkt, was du der Welt mit deinen Talenten schenken kannst.«
»Geld?« fragte Nicholas und sah Richtung Fensterbrett. »Ich war ganz glücklich, als ich keins hatte. Und ich konnte andere Menschen auch recht glücklich machen.«
»Natürlich. Aber das war das Werk deiner Jugend. Du brauchtest mehr. Du hast sie aus eigenem Antrieb hinter dir gelassen.«
»Ja«, antwortete Nicholas.
Anselm Adorne beobachtete ihn. Es hatte keinen Sinn zu sagen: Du hast es dir ausgesucht. Hast du nicht vorausgesehen, wie es sein würde? War dir nicht klar, daß du noch nicht soweit warst? Er dachte: Er wird damit fertig werden müssen, schon um dieser armen Frau willen. Was würde ihm helfen? Den Kummer in Wein zu ertränken sicher nicht.
»Ich nehme an«, sagte Adorne, »meine Frau und die Demoiselle haben sich noch einiges zu erzählen. Soll ich einmal nachsehen, ob Marie und Katelijne mit dem Unterricht fertig sind? Sie werden es mir nie verzeihen, wenn ich dich gehen lasse, ohne daß sie dich begrüßen konnten.« Er hielt kurz inne. »Sie wissen natürlich nichts, und es wäre ihnen auch ganz gleichgültig.«
Anselm Adorne war ein Mann, der die Gefühle anderer zu verstehen versuchte. Margriet hatte ihn schon gewarnt: Ihr könnt anderen auch zu nahe kommen. Und selbst Ihr irrt Euch manchmal, Anselm. Diesmal irrte er sich nicht, obwohl der junge Mann erst nach einem Augenblick sagte: »Das würde mich sehr freuen.« Anselm Adorne stand auf, ging ohne übermäßige Hast hinaus, fand seine Töchter und brachte sie zu ihrem Freund Claes, der sie lächelnd erwartete, zwischen den Händen bereits die Fäden für ein Spiel gespannt.
Als seine Angetraute zum Aufbruch bereit war, fand Adorne das Verhalten des jungen Ehemanns ohne Fehl und Tadel. Nicholas sprach ihm und Margriet in aufrichtigen Worten seinen Dank aus. Ganz selbstverständlich nahm er den Umhang der Demoiselle und legte ihn ihr um die Schultern. Sie sah zu ihm auf, und man konnte sehen, daß ihr Gesicht wieder Farbe bekam, als ihr Mut zurückkehrte.
Adorne und Margriet waren mit hinuntergegangen und wünschten der Demoiselle und ihrem Ehemann viel Glück, als das Boot ablegte, das sie nach Hause bringen sollte. Und so bemerkte Anselm Adorne nicht, daß sein Sohn Jan ins Haus ge schlendert kam. Heißhungrig wie alle Studenten stürzte er sich auf die Reste des Festmahls, wobei er zugleich die Diener ausfragte und eine ganz unglaubliche Antwort erhielt. Und keine zehn Pferde hätten ihn dazu bringen können, diese Antwort für sich zu behalten.
KAPITEL 27
Das Mittagsläuten drang gar nicht zu Felix de Charetty durch, der sich zum Trost nach dem schmerzhaften Doppelverlust einer Menge Geldes und eines Mädchens selbst in die Poorterslogie eingeladen hatte, das Haus der Gesellschaft Weißer Bär. Das Wahrzeichen der Gesellschaft, das in einer
Weitere Kostenlose Bücher