Niccolòs Aufstieg
rauskommen. Aber er muß es doch wissen. Sonst kommt er nach Hause und findet -«
»- im Bett -«, rief einer der Jüngeren, der zuvor laut geprustet hatte.
»- seinen neuen Vater Claes«, rief ein dritter, und sie umfaßten einander lachend.
Einige Männer, die vor dem Versammlungshaus der Gesellschaft Weißer Bär standen, sahen einander schweigend an, der Lärm im Inneren des Hauses hatte merklich nachgelassen.
Anselm Sersanders war der einzige, der es bemerkte, und ihm gelang es nun endlich, Felix beim Arm zu nehmen. »Verschwindet«, sagte er zu den anderen. »John, komm her und hilf mir. Du besser auch, Jan.«
Felix, dem eben noch sehr heiß gewesen war, wurde plötzlich eiskalt. »Was - ? Das ist doch nicht wahr?«
Jan Adorne und die beiden anderen jungen Männer, Anselm und John Bonkle, hatten ihn in die Mitte genommen. Sein Wams klaffte auseinander, auf seinem Hemd war ein Fleck und seine Hose fühlte sich feucht an. Hinter ihm auf der Schwelle zur Poorterslogie stand eine Gruppe Männer im Gespräch. Er spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte, und sagte verzweifelt: »Ich brauche ein - es ist doch nicht wahr?«
Sie waren mitten im Geschäftsviertel von Brügge, aber sie fanden ein Eckchen, wo er sich übergeben konnte, leider in Gesellschaft betrunkener Leichtermänner, die ihn anfeuerten. Danach führten sie ihn eine der Kanalrampen hinunter, setzten ihn ans Wasser und tauchten sein Taschentuch ein.
»Das war das Schlimmste, was ihr je getan habt«, stieß er zitternd hervor. »Das war gemein. Das war ein ganz übler, hinterhältiger …« Tränen liefen ihm übers Gesicht. »Ihr hättet euch doch was anderes ausdenken können.« Er sah den Blick, den sie wechselten, und das, was ihm so schwer im Magen gelegen hatte, stieg in seine Kehle hinauf. »Ich gehe in die Schenke. Ich will euch nicht mehr sehen.« Aber sie rührten sich nicht. Und er sich auch nicht. Sein Körper begann zu zucken. Dann schlug er die Hände vors Gesicht und schluchzte.
John Bonkle legte ihm die Hand auf die Schulter, verzog das Gesicht, als er Jan Adorne ansah, und sagte: »Nun mach schon. Sag ihm, was du weißt.«
Henning musterte ihre ungewöhnliche Kleidung, als er ihr mitteilte, Jongeheer Felix habe gesagt, er wolle zur Poorterslogie. Er und die anderen im Haus wußten noch nichts. Vom Hotel Jerusalem zurück, hatte Nicholas sie direkt ins Haus gebracht und war geblieben. Man konnte es den Leuten nicht vor dem Sohn des Hauses sagen. Und der Sohn des Hauses, meinte er trocken, erfahre es wohl besser drinnen als draußen.
Marian de Charetty schwieg bei dem Gedanken daran, daß die Zeugen des Morgens die Neuigkeit natürlich weitertragen würden. Aber zuerst einmal gingen sie gewiß nach Hause. Natürlich war es nicht gut, wenn Felix in aller Öffentlichkeit davon hörte, aber wenigstens würde der Stolz ihm verbieten, sich an einem Ort wie dem Haus der Gesellschaft Weißer Bär unbeherrscht zu benehmen. Und er würde auf dem schnellsten Weg nach Hause kommen. Nicholas hatte ihr geraten, vorher mit Felix zu sprechen, es wäre am klügsten gewesen. Er hatte ihr keinen Vorwurf gemacht. Er würde ihr wahrscheinlich nie Vorwürfe machen, so wenig wie Henning es tat. Es stand ihm nicht zu, auch wenn er sich bei geschäftlichen Besprechungen bisweilen vergaß und mit ihr sprach, als wären sie gleichen Standes.
Sie wollte die Sache hinter sich bringen und hatte Gregorio beauftragt, Tilde und Catherine zu ihr ins Schlafzimmer zu schicken. Sie hatte genau bedacht, wie sie es ihnen beibringen würde, und erzählte ihnen, in vereinfachter Fassung, das gleiche wie Adorne und den anderen. Sie habe Claes, der ja ein gescheiter junger Mann sei und den sie alle mochten, gebeten, für immer bei ihnen zu bleiben und ihr bei der Führung der Geschäfte zu helfen. Aber Männer und Frauen, die zusammenbleiben wollten, müßten heiraten. Und darum sei Claes, den sie von nun an Nicholas nennen sollten, ihr Ehemann geworden. Selbstverständlich werde er niemals den Platz ihres Vaters einnehmen. Sie sollten ihn als Freund betrachten. Wie sie das auch tue.
Catherine war verärgert. Nun würde Claes nicht ihr, sondern ihrer Mutter Geschenke aus Italien mitbringen. Marian beruhigte sie. Alles würde bleiben wie immer. Wenn es Geschenke gebe, dann natürlich für alle. In Zukunft werde Claes einfach im Haus arbeiten statt in der Werkstatt. Und sollte Nicholas genannt werden. Damit gab sich Catherine zufrieden.
Tilde nicht. Mit weißem Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher