Niccolòs Aufstieg
Auftrag der Familie.«
»Wie lange hast du das schon vorbereitet?« fragte Felix.
»Es wurde gestern abend zum ersten Mal besprochen und heute morgen beschlossen«, antwortete Claes.
»Und schleunigst bewerkstelligt, damit ich es nicht mehr verhindere, was? Aber das kann ich wahrscheinlich immer noch.«
»Nein. Der Vertrag ist hieb- und stichfest. Außerdem wird es sich jetzt herumsprechen und eine Kehrtwendung würde alles nur schlimmer machen, ohne etwas an den Tatsachen zu ändern. Wir haben uns so sehr beeilt, weil wir dem Klatsch die Spitze nehmen wollten, aber auch weil ich bald nach Italien muß und es eine Menge Geschäftliches zu tun gibt. Ich hatte gehofft, du würdest mir dabei helfen.«
»Früher hast du sie nachgeahmt, früher hast du -« Felix brach ab.
»Das ist lange her. Ich lebe hier seit meinem zehnten Lebensjahr. Glaubst du im Ernst, ich würde einem von euch jemals weh tun?«
Felix dachte an den Augenblick unten am Kanal und stieß unwillkürlich einen Laut aus, der wie ein ungläubiges Lachen klang. Er stand Claes an der anderen Seite des kleinen Zimmers gegenüber. Keiner von beiden hatte sich seit Beginn des Gesprächs von der Stelle gerührt. »Du hast sie überredet, einen zwanzig Jahre jüngeren Mann niedrigster Herkunft zu heiraten und ihm die Leitung ihres Unternehmens zu übertragen. Und mich zu übergehen. Ich bin der Erbe des Hauses Charetty - sie braucht keinen anderen für das Geschäft. Unsere Leute werden sich das nicht bieten lassen, sie werden für dich nicht arbeiten. Und da du nur ein kleiner Untergebener bist, noch dazu einer, den sie selbst aufgezogen hat, wird keiner euer Ammenmärchen glauben, ihr hättet wegen des Unternehmens geheiratet. Alle werden denken, daß sie .,. daß sie …«
Er brach ab. »Tilde wird wahrscheinlich nie wieder einen Schritt vor die Tür tun.« Und als sich Claes endlich bewegte, fuhr er ihn in vernichtendem Ton an: »Und du behauptest, du wolltest uns nicht weh tun! Natürlich willst du uns weh tun. Wie oft hast du die andere Wange hingehalten! Wie oft hast du dich prügeln lassen! Und jetzt rächst du dich. Richtig?«
Er hatte lange Zeit gehabt, darüber nachzudenken, unten am Kanal und dann auf dem Heimweg. Er hatte nicht alles vor seinen Freunden ausgebreitet, das hatte sein Stolz nicht erlaubt. Aber sie hatten ihm nicht widersprochen, als ihm aufgegangen war, daß dies Claes’ Art war, Vergeltung zu üben. Das konnten sie auch nicht. Weil es wahr war. Einen anderen Grund gab es nicht. Seine Mutter war eine alte Frau. Und wenn Claes es sich in den Kopf setzte, konnte er die meisten Menschen so weit bringen, daß sie taten, was er wollte. Besonders Frauen.
»Rächen wofür? Niemand hat mir etwas getan. Ich mag euch.«
Ja, so nahm er immer allem den Stachel; indem er jedem Kampf aus dem Weg ging. Aber diesmal würde das nicht verfangen. »Warum machst du uns dann zum öffentlichen Gespött? Meine Mutter zur komischen Figur? Warum zerstörst du die Zukunft meiner Schwestern? Was glaubst du wohl, wie mir vor der Poorterslogie zumute war? Was glaubst du, wie mir zumute wäre, wenn ich Zusehen müßte, wie mein eigener Untergebener im Unternehmen meiner Mutter den Ton angibt? Zumal das Geschäft nicht einmal davon profitieren würde, wenn unsere Leute sich weigern, deine Anordnungen zu befolgen, und die Händler uns links liegenlassen und auslachen. Du bist vielleicht ein kluger Kopf, aber wieviel Erfahrung kannst du gegen sie aufbieten? Du wirst das Unternehmen zugrunde richten. Und ganz gleich, was du alles nicht für dich beanspruchst, am Ende werden ich, meine Mutter und meine Schwester mit nichts dastehen.«
»Wäre es nicht zu dieser Heirat gekommen, so hätte deine Mutter verkauft oder sich mit Oudenin verheiratet.«
»Beides wäre besser. Aber nun werden wir eben das Beste daraus machen. Du verschwindest noch heute abend. Du kannst eines der Pferde nehmen. Ich gebe dir Geld mit, damit du bis nach Genf kommst. Jaak de Fleury wird dich sicher aufnehmen. Du bist immerhin der uneheliche Sohn seiner Nichte. Wenn nicht, mußt du dich eben auf eigene Faust durchschlagen. Das dürfte dir nicht schwerfallen. Du brauchst dir ja nur ein Unternehmen zu suchen, das du leiten kannst. Oder vielleicht etwas bei einem Heerführer, jetzt, wo du das Kriegshandwerk gelernt hast. Aber halt dich von Astorre und unserer Truppe fern. Du gehörst nicht mehr zu diesem Haus. Wir nehmen dich nicht in unsere Dienste und haben nichts mit dir zu schaffen.
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