Niccolòs Aufstieg
sagen.«
»Das würdest du doch so oder so behaupten.«
Seit dem Moment, als sie die Augen geöffnet hatte, sah sie ihn unverwandt an. »Versuche, mir als Erwachsener gegenüberzutreten. Claes mit dem Blick des Erwachsenen zu betrachten. Denke an alles, was du von ihm weißt, von mir und von dir selbst. Wir drei belügen einander nicht.«
Langsam konnte er wieder richtig atmen. Er richtete sich ein wenig auf. »Aber du hast mir nichts gesagt. Weil du vermutlich Angst hattest, ich würde es verhindern.«
»Ja«, antwortete sie.
Er wünschte, sie möge fortfahren, ihn mit Beteuerungen und Erklärungen besänftigen. Dann hätte er wieder zornig werden können. »Meine Gefühle waren dir gleichgültig. Du wolltest nur die Heirat hinter dich bringen, ehe ich davon erfahre. Du hast gewußt, daß es ,.. daß es …«
»Ich habe gewußt, daß es für dich unvorstellbar wäre. Ja. Deshalb wollte ich erst alles regeln, so daß du darüber nachdenken kannst. Felix, du kennst Nicholas. Glaubst du, er würde mich aus eigennützigen Gründen in eine Ehe hineinziehen? Im Ernst?«
Claes. Jahrein, jahraus an seiner Seite. Aber »Er ist schlau«, sagte er.
Ihr Gesicht entspannte sich, als wüßte sie, was es ihn gekostet hatte, das zu sagen. »Und er ist klug. Du meinst vielleicht, du könntest den Leuten nicht mehr ins Gesicht sehen, aber du mußt doch wissen, daß es ihm nicht anders ergeht. Er weiß, was geredet werden wird. Und ich weiß es auch. Wir müssen also schon sehr triftige Gründe für diesen Schritt haben, meinst du nicht?«
»Das Unternehmen.« Er sagte es sachlich und ohne die ungläubige Verachtung, die ihn bewegt hatte, als er noch etwas empfand. »Er hat mir eben gesagt, es ginge nur darum, das Unternehmen ordentlich zu führen, bis ich es übernehmen kann. Als ob ich es so wollte! Als hätte mein Vater jemals von dir verlangt, dir zugemutet …«
»… einen seiner Lehrlinge zu heiraten«, vollendete seine Mutter und holte einmal tief Luft. »Nein. Dein Vater hätte das nicht gewollt. Aber dein Vater ist tot. Und ich bin hier. Auch mein Leben will gelebt werden. Es ist ja nicht einmal mehr das Unternehmen, das dein Vater aufgebaut hat; es hat sich verändert und wird sich weiter verändern. Ich möchte daran teilhaben, mich jeden Tag darum kümmern. Aber ohne Hilfe könnte ich das nicht. Bis du soweit bist, brauchen wir einen Mann, der sich mit den Geschäften auskennt. Felix, ich will keinen Mann, der den Platz deines Vaters einnimmt. Ich will nur einen Freund.« Sie machte eine kleine Pause. »Und alle Welt wird wissen, daß Nicholas nichts als ein Freund ist, das verspreche ich dir.«
Das Blut stieg ihm wieder zu Kopf. Daß solche Beteuerungen überhaupt notwendig waren! Es klang alles so vernünftig. Aber er war der Erbe. Und Nicholas war kaum älter als er. Und Nicholas war, wie jeder wußte, sein Untergebener.
»Männer besitzen in unterschiedlichen Lebensaltern unterschiedliche Gaben«, sagte seine Mutter. »Manchmal müssen wir zurückstehen und Zusehen, wie andere den Preis erringen, aber unser Tag wird kommen. Nur Kleingeister versuchen, andere zurückzudrängen. Nicholas ist unser Freund, deiner und meiner. Du bist mein Sohn. Wie sollte sich daran je etwas ändern?«
Etwas bewegte sich auf seiner Wange, er wollte sich aber nicht eingestehen, daß er weinte. »Vorhin hat er gesagt, er würde fortgehen, wenn du es möchtest. Ich solle nicht erwarten, daß du gerade jetzt mich statt ihn wählen würdest, aber ich könnte dich später darum bitten, und dann würdest du es vielleicht tun.«
»Was soll das für eine Wahl sein? Du bist mein Sohn. Ganz gleich wo du bist. Und wieso solltest du besser dran sein, wenn Nicholas geht, Felix? Wenn uns all seine Fähigkeiten verlorengehen, das Unternehmen scheitert und mein bisher geführtes Leben ein Ende hat? Erobert sich ein Mann so seinen Platz in der Welt?«
Die Nässe an seinem Kinn sagte ihm, daß er tatsächlich weinte. »Es war vor der Poorterslogie«, begann er und preßte gegen den aufsteigenden Schmerz die Lippen zusammen.
Sie hatte die Hände wieder erhoben, diesmal bis zur Stirn, so daß ihr Gesicht von ihnen verdeckt war. »Ich würde diesen ganzen Tag noch einmal auf mich nehmen, könnte ich dir das nachträglich ersparen. Ich hätte es dir sagen sollen. Ich habe es falsch gemacht. Von Rechts wegen müßte ich gehen. Vielleicht werdet ihr beide, du und Nicholas, mich eines Tages verlassen. Ich verdiene es.«
Ihre Lippen hatten sich zu
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