Niccolòs Aufstieg
Hast du verstanden?«
»Ja, ich habe verstanden«, sagte Claes. »Du müßtest das aber mit deiner Mutter besprechen. Was ist, wenn sie nicht einverstanden ist? Sie hat die Hand auf der Börse.«
Felix starrte ihn an. »Drohst du mir?«
»Nein. Verstehst du nicht, für sie stehst immer du an erster Stelle, und daran wird sich nie etwas ändern. Aber wenn du gerade jetzt von ihr verlangst, zwischen uns beiden zu wählen, wird ihr Stolz sie zwingen, mich zu wählen. Es wäre vernünftiger, es später zu versuchen.«
»Die Freunde meines Vaters - die ganze Stadt wird dich davonjagen.«
»Vielleicht.«
»Henning wird gehen.«
»Du könntest ihn zurückholen, sobald man mich davongejagt hat«, sagte Claes. »Felix, ein Fehler, und ich bin draußen - lange bevor ich das Unternehmen vernichten kann. Du brauchst ja deine Hilfe oder Billigung nicht öffentlich zu geben. Gregorio kann mich zu Besprechungen begleiten. Ich schlage das nur vor, weil du so ein Auge auf mich haben könntest. Obwohl ich natürlich deinen Rat auch brauchen könnte. Oliviers Entlassung war das Beste, was in Löwen geschehen konnte.«
Claes hatte immer auf alles eine Antwort. Ganz gleich, welchen Gedankengang man verfolgte, er war immer schon da. Er hatte sicher alles bedacht. Ein unanfechtbarer Ehevertrag. Seine Mutter so beeinflußt, daß sie diese Entscheidung für die beste hielt, und ihm blieb jetzt die traurige Aufgabe, ihr Schmerz zu bereiten. Es sei denn, er konnte ihr zeigen …
»Wir müssen die Leute in Werkstatt und Haus unterrichten, ehe sie Feierabend machen«, sagte Claes. »Das wird deine Mutter tun. Du brauchst nicht dabeizusein. Geh jetzt zu ihr und vergewissere dich, daß dies alles wirklich ihren Wünschen entspricht. Wenn es nicht so ist, werde ich mich nicht gegen euch beide stellen. Die Ehe kann nicht aufgelöst werden, aber ich werde gehen. Dann kann Gregorio die Leute zusammenrufen, und wir teilen ihnen die endgültige Entscheidung mit. Ist das gerecht?«
»Nicht sehr. Du hast einen ganzen Tag und eine Nacht Zeit gehabt, sie zu einer Entscheidung in deinem Sinn zu drängen. Und vorher Wochen, um sie ihr schmackhaft zu machen. Und ich habe nur ein paar Minuten.«
»Aber du bist ihr Sohn.«
Ja, er würde zu seiner Mutter gehen. Er wußte nicht, wie er Claes aus dem Zimmer befördern sollte. Schließlich ging er einfach zur Tür und öffnete sie. »Warte in deiner Unterkunft.« Und Claes gehorchte ohne Widerspruch, als wäre er gar nicht der Ehemann seiner Mutter. Felix wurde die Kehle wieder eng. Er wartete, bis er sich gefaßt hatte, dann ging er und klopfte bei seiner Mutter.
Mit siebzehn zum ersten Mal ganz allein, das macht angst.
Einige Male hatte Felix so vor dem Arbeitszimmer seines Vaters gestanden und den Mut gesucht, zu klopfen und sich Cornelis’ Zorn über irgendeine Ungezogenheit zu stellen, die dem einzigen Sohn und Erben nicht anstand.
Sein Vater hatte ihn nie wirklich gekannt. Seine Mutter kannte ihn und hatte ihn oft härter ins Gebet genommen als Cornelis, aber auch stets mit eisernem Verständnis hinter ihm gestanden. Selbst in der Auflehnung gegen sie hatte er sich sicher gefühlt. Doch jetzt nicht mehr. Er war innerlich so leer, daß seine Hand nicht einmal zitterte, als er sie schließlich hob und klopfte. Ihm war nur kalt.
Als keine Antwort kam, klopfte er noch einmal, nicht sehr laut. Dann begriff er, daß das Geräusch, das er zuvor vernommen hatte, ihre Stimme gewesen war und daß sie ihn jetzt zum zweiten Mal hereinbat. Vorsichtig öffnete er die Tür.
Seine Mutter saß allein an dem großen Tisch. Wenn sie sich mit Henning oder Julius besprach, saß sie immer so steif da, Henning oder Julius im Licht des Fensters, sie selbst fast im Dunkeln. Anders war heute nur, daß die Ellbogen aufgestützt waren und sie die Hände vor dem Mund gefaltet hielt, als bliese sie hinein, um sie zu wärmen. Ihr Blick, dachte er, galt wahrscheinlich seiner zerrissenen Kleidung und seinem fleckigen Gesicht. Es kümmerte ihn nicht, ob sie sah, was sie ihm angetan hatte. Das hatte sie verdient. Als er näher trat, erkannte er, daß ihre Augen geschlossen waren.
Noch einige Schritte, dann stand er dicht vor ihrem Tisch. Anstatt ihn anzusehen, drückte sie die Augen noch fester zu. Dann aber öffnete sie sie doch und senkte die Hände.
Als sie sprach, klang ihre Stimme, als klebte ihr die Zunge am Gaumen. »Dein Freund kennt dich besser als ich. Nicholas bat mich, es dir gleich heute morgen zu
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