Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
Vom Netzwerk:
einem bitter-ironischen Lächeln verzogen. Aber als sie die Hände senkte, sah er Tränen in ihrem Gesicht. Im nächsten Augenblick war er bei ihr, und sie lagen sich in den Armen, die feuchten Wangen aneinandergedrückt. Zum ersten Mal hatte sie zugegeben, etwas falsch gemacht zu haben. Von Erwachsenem zu Erwachsenem. So hatte sie gesagt.
    Mitten im nachfolgenden Gestammel hörte er sich sagen, daß er nur ihr Glück wolle. Und erkannte, ohne daß es ausdrücklich gesagt wurde, daß das Glück seiner Mutter zu einem Teil auch mit Nicholas verbunden war. Ganz neu war ihm das nicht. Es war vielmehr mit ein Grund für seine Launen gewesen. Aber er hatte Nicholas immer schon teilen müssen, vor allem mit Frauen. Den Kopf auf ihrem Schoß, ließ er sie sein Haar streicheln, bis sie ihre Gelassenheit wiedergewonnen hatte. »Es ist nun einmal geschehen. Wenn du es wirklich willst, stehe ich dir bei«, sagte er schließlich.
    Ein Erwachsener konnte sich Hochherzigkeit leisten. Er war ihr Sohn, was auch geschah. Sie war eine Frau und so schwach, daß sie die Hilfe ihres Untergebenen Claes brauchte. Was genau das bedeutete, wie genau er den kommenden Ereignissen gegenübertreten würde, darüber wollte er lieber nicht nachdenken. Heute jedenfalls konnte seine arme Mutter sich auf ihn verlassen.
    Er erwartete, daß sie ihm einen Kuß auf die Stirn drücken würde. Aber sie zögerte und tätschelte nur seine Schulter, als er aufstand. Ihr Blick war ängstlich besorgt. Er schniefte, beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr statt dessen entschlossen selbst einen Kuß.

KAPITEL 28
    Gregorio d’Asti, der ruhig arbeitete und dabei die offene Tür im Auge behielt, hörte den Schritt seiner Arbeitgeberin und war schon aufgestanden, als sie ins Zimmer trat. Sie bat ihn, all ihre Arbeiter und die Dienerschaft in den größten Färberschuppen zu rufen und neben den Zahltisch eine Kiste zu stellen, auf die sie dann steigen wollte. Sie sprach gefaßt und ohne Zittern in der Stimme, aber ihre Augenlider waren ein wenig rot. »Henning wird Euch behilflich sein«, fügte sie hinzu. »Ich habe ihn gebeten, in mein Schreibzimmer zu kommen, damit er die Nachricht als erster erfährt.« Untadelig. Untadelig von Anfang bis Ende, ein beispielhaftes Vorbild für den Umgang mit Menschen. Nur die verspätete Benachrichtigung des Sohnes war ein Fehler gewesen. Es war schwer vorstellbar, wie der Diener des Sohnes das wiedergutmachen sollte.
    Gregorio tat, was ihm aufgetragen worden war, und dann kam Henning mit gerötetem Gesicht und schloß sich ihm an. Wie er beantwortete auch Henning keine Fragen der Untergebenen. Lärmend wie die Stare strömten bald alle Charetty-Angehörigen aus Haus und Hof in den Färberschuppen, von den Färbergesellen bis zu den Stalljungen, von der respekteinflößenden Köchin bis zu den Mägden, die Fußböden schrubbten und Gemüse putzten.
    Dann kam die Demoiselle in ihrem besten Kleid aus dem Haus. Nicht in Begleitung ihres frisch angetrauten Ehemanns. Der junge Mann, der ihr in den Hof folgte und ihr den Arm reichte, als er sie eingeholt hatte, war, wie Gregorio fasziniert feststellte, ihr Sohn Felix de Charetty, etwas bleich und in einer Jacke, die nicht zu seinem Wams paßte. Sie hatten gerade den Färberschuppen erreicht, als eine Tür schlug und der Verursacher all des Aufruhrs zielstrebig in den Hof trat. Köpfe drehten sich. Die lächelnden Gesichter ließen, wie Gregorio sah, keinen Groll erkennen. Claes stürzte, reichlich spät, über den Hof. Jetzt zwar Kurier und sehr vornehm, aber immer noch Claes. Aus der Ferne war der große, gutgebaute junge Mann eine beeindruckende Erscheinung. Aus nächster Nähe war das natürlich anders.
    Jetzt kam er in den Färberschuppen und sah sich um. In seinem Gesicht konnte Gregorio keine Spur von Triumph, Scham oder Verlegenheit entdecken. Offenbar hatte er Gregorio und Henning gesucht, die in der Nähe der Demoiselle und ihres Sohnes standen, aber nicht neben ihnen. Nicholas drängte sich durch die Menge, trat zu Gregorio und Henning und wandte das Gesicht Marian de Charetty zu. Sie stieg auf die Kiste, und alles wurde sehr still.
    Es war keine ungewohnte Situation für sie. Schließlich hatte sie seit dem Tod ihres Mannes das Haus Charetty geleitet. Sie begann damit, daß sie allen für die geleistete Hilfe und ihre Treue dankte. Danach sprach sie davon, wie schwierig die Zeiten gewesen seien, nachdem ihr Mann gestorben war, davon, daß sich die Wünsche der Kunden

Weitere Kostenlose Bücher