Niccolòs Aufstieg
das würde niemanden groß aufregen. Dafür gab es einiges andere, was gewaltig aufregen würde. Zum Beispiel, daß in der Karnevalsnacht die Schwestern van Borselen ihm praktisch das Leben gerettet hatten. Eine Tatsache, die aus verschiedenen Gründen nie ans Licht gekommen war.
Einmal, weil Katelina, wie Gelis vielleicht wußte, den frühen Abend allein in Gesellschaft de Ribéracs zugebracht hatte. Und er, von ihr ins Haus geladen, versucht hatte, ihr Gewalt anzutun. Und zum zweiten, weil Nicholas und Katelina, wie Gelis ganz sicher wußte, die späten Stunden derselben Nacht allein im Haus ihrer Eltern verbracht hatten. Wo Nicholas eigentlich gar nichts gewollt, jedoch zweifelsohne all das bekommen hatte, was Jordan de Ribérac gewollt hatte.
Mit Schmeichelei war da nichts auszurichten. Und mit Liebenswürdigkeit auch nicht. Marian de Charettys Ehemann zog seinen pelzverbrämten Rock zurecht und sprach das pummelige Mädchen an seiner Seite so leise an, daß niemand sonst es hören konnte. »Jetzt seid mal schön still, und hört mir zu, sonst werde ich allen Leuten hier von Eurer Schwester und dem Seigneur de Ribérac erzählen.«
»Da war nichts!« sagte sie mit rotem Gesicht.
»Ich werde das Gegenteil behaupten«, versetzte Nicholas. »Also, damit wir uns verstehen. Erstens, die Demoiselle de Charetty bekommt kein Kind. Verstanden?«
»Aber sie wird eines bekommen.«
»Zweitens, es geht Euch zwar nichts an, aber es handelt sich hier um eine geschäftliche Vereinbarung. Deshalb wird sie keines bekommen.«
»Aber sie könnte!«
»Aber sie wird nicht«, sagte er ruhig.
»Also mußt du Felix loswerden«, zischte sie. »Bei dem Turnier am nächsten Sonntag.«
Er hatte sich schon gefragt, ob irgendein zynisches Gehirn eine solche Idee ausbrüten würde. Aber er hatte nicht erwartet, hier, an der Festtafel, darauf zu stoßen. »Ihm wird nichts geschehen.«
»Du weißt genau, daß er nicht gut genug ist. Du hast ihn selbst geprüft. Und dann hast du ihm die Waffen und alles gekauft.«
»Also muß ich verhindern, daß ihm etwas geschieht. Weil sonst alle mir die Schuld geben werden.«
»Ihr habt ihn wohl enterbt?« fragte Gelis.
Sie war eine Teufelin. »Laßt Euch doch gleich den Ehevertrag zeigen. Er ist nicht enterbt. Ihm und seiner Mutter gehören weiterhin alle Gewinne aus dem Unternehmen. Wenn sie beide morgen sterben, bekomme ich nichts.«
Sie musterte seinen pelzbesetzten Rock. »Hübsch.«
»Ich habe die Quittung in der Tasche«, sagte Nicholas. »Hört auf, Eure Nase in meine Angelegenheiten zu stecken, und denkt daran, daß ich Eurer Schwester weit schlimmer schaden kann als Ihr mir.«
»Das hast du schon getan.«
Neue Speisen wurden aufgetragen. Geübte Hände griffen über ihre Schultern und schenkten Wein nach.
»Ihr habt ihr wohl Brieftauben geschickt«, sagte er.
»Ich habe ihr einen Brief geschrieben. Sie wird ihn noch nicht bekommen haben. Sie hat dir auch einen Brief geschrieben. Ich habe ihn gelesen.«
»Daß Ihr das tun würdet, wußte sie vermutlich schon vorher. Darf ich ihn vielleicht auch lesen?«
Sie hatte auf ihm gesessen. Mit einem Ruck zog sie ein paar mehrmals gefaltete Blätter mit aufgebrochenem Siegel unter ihrem Gesäß hervor und überreichte sie. Er steckte sie in seine Tasche. »Sagt mir eins. Findet Ihr, daß auch die Demoiselle de Charetty Eure Schwester verletzt hat?«
Sie sah ihn erstaunt an, das Gesicht wieder so käsig wie gewohnt. »Was hat die denn damit zu tun? Du warst es doch, der getan hat, was er getan hat.«
Langsam wurde es klarer. »Ich dachte, Ihr hättet erwartet, daß ich Katelina heirate.«
»Sie heiraten!« Gelis lachte unangenehm. »Damen heiraten doch keine Lehrlinge.«
»Wenn hier also jemand der Leidtragende ist, dann die Demoiselle, die mich eben doch geheiratet hat«, sagte Nicholas. »Stimmt Ihr mir da zu?«
Gelis blickte die Tafel hinunter. »Sie ist einfach dumm.«
»In dieser Hinsicht vielleicht. Aber in keiner anderen. Habt Ihr die Absicht, sie zu verletzen?«
Sie war schlau. »Keine Angst. Ich kann ja gar nichts tun, ohne Katelinas Ruf oder deiner dummen Demoiselle zu schaden. Aber es war keine Freude für dich, mich hier zu treffen. Und der nächste Brief aus der Bretagne wird dir auch keine Freude machen, wenn du überhaupt einen bekommst. Und es wird dir noch weniger Freude machen, wenn Felix beim Turnier fällt und alle dir die Schuld geben.«
Er holte Atem, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. Ihre Augen
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