Niccolòs Aufstieg
funkelten. »Ich weiß schon, ihm wird nichts geschehen. Aber glaub mir, das Gegenteil wird der Fall sein. Und ich kann dir auch sagen, warum, wenn du es nicht schon weißt. Gerade sind die Namen der Schotten eingegangen, der schottischen Teilnehmer. Unter ihnen ist der beste Turnierkämpfer, den sie haben. Simon von Kilmirren.«
»Laßt mich nachdenken«, sagte Nicholas. »Ach ja, war da nicht etwas mit einem Hund?«
»Und einem Mädchen namens Mabelie«, sagte Gelis boshaft.
Später las Nicholas in seinem Zimmer den Brief aus der Bretagne.
Katelina traute ihrer Schwester offensichtlich so wenig wie er. Nicht einmal ein Eingeweihter hätte in dem Brief eine persönliche Mitteilung entdeckt. Die Reise sei erträglich gewesen. Die neue Stellung verspreche recht unterhaltsam zu werden. Sie flocht etwas Hoftratsch ein, unter anderem, was er bereits wußte, daß der Sohn der Herzogin die Mätresse des Königs von Frankreich übernommen hatte, die ihm, wie man bei Hof meinte, bis spätestens September die Syphilis anhängen würde.
September? Er stolperte über das Datum und hielt inne. Aber die Karnevalsfeier war ja im Februar gewesen, selbst rechenfreudige kleine Schwestern konnten da keine verborgene Bedeutung hineinlesen.
Über die wichtigste Neuigkeit und den offenkundigen Zweck des Schreibens mußte er herzhaft lachen. Er sperrte den Brief weg und nahm sich vor, gleich morgen Lorenzo Strozzi aufzusuchen. Er sagte Felix’ Mutter nicht, was er über Simon von Kilmirren gehört hatte. Sie würde es früh genug erfahren. Und ausgerechnet Gregorio brachte es zur Sprache, als Nicholas ihn am nächsten Tag im neuen Haus in der Spanjaardstraat antraf.
Bis zu seiner Abreise war es keine Woche mehr, und er begann nun, die Kuriersendungen abzuholen. Bei Adornes Kollegen Jacopo Doria, der ihm kühl und gebieterisch eine Mappe für Genua übergab. Bei Angelo Tani und Tommaso Portinari, der eine ganz Geschäftsmann, der andere auffallend reserviert, und beide pikiert, weil er es ablehnte, vor Montag aufzubrechen. Bei Arnolfini, der ihm mit dürrem Lächeln, aber kommentarlos Briefe nach Lucca und an die Sforza übergab. Von Arnolfini hatte er das versprochene Gold des Dauphin für künftige Dienste erhalten. Er hatte seine Kleider damit gekauft und einen Mann. Hoffte er jedenfalls.
In der Spanjaardstraat ging er jetzt zu seinem großen Kontor. Nachdem er den fleißig arbeitenden Schreibern flüchtig auf die Schulter geklopft und Gregorio am anderen Schreibtisch begrüßt hatte, setzte er sich und zog seine Papiere zu sich heran. Sie arbeiteten bis zum Mittagsläuten. Als die jungen Männer zum Essen hinuntergegangen waren, sagte Gregorio: »Ich habe eine Frage.«
»Ja?« sagte Nicholas, ohne die Feder abzusetzen.
»Es geht um das Turnier am Sonntag. In der Stadt heißt es allgemein, daß Felix es schwer haben wird. Wegen irgendeines Schotten, der ihm spinnefeind sein soll.«
»Simon von Kilmirren. Ja.« Nicholas streute Sand auf das eben Geschriebene und begegnete, als er aufsah, einem harten Blick aus dunklen Augen. »Er gehört zu den Leuten, auf die Ihr achten müßt, wenn ich weg bin. Er hat es mehr darauf abgesehen, mir etwas anzutun als Felix, aber wenn es nach mir geht, wird ihm weder das eine noch das andere gelingen. Ich habe der Demoiselle versprochen, daß Felix nicht am Kampf teilnimmt, und das wird er auch nicht tun.«
»Dann müßt Ihr ihn aber entführen«, sagte Gregorio trocken. »Er wird jetzt keinen Rückzieher mehr machen.«
»Ach, man weiß nie«, entgegnete Nicholas. »So, und jetzt habe ich eine Frage an Euch. Ihr wart die ganze vergangene Nacht und auch die Nacht vorher nicht in Eurem Zimmer, oder?«
Der Blick der schwarzen Augen wurde noch härter, als Gregorio sich zurücklehnte. »Bezahlt Ihr mir etwa auch die Nachtstunden?«
»In ganz Flandern wird nicht so viel geklatscht wie in Brügge. Wenn eine Dame so untergebracht ist, handelt es sich meist um eine Verbindung von Dauer. Und wenn Ihr schon mal eine Dauerverbindung eingegangen seid, könnte es ja sein, daß Ihr auch gern noch eine andere eingehen würdet. Etwa mit dem Unternehmen, bei dem Ihr tätig seid.« Nicholas wartete ruhig, während der andere ihn forschend betrachtete.
»Laßt Ihr mich bespitzeln?« fragte Gregorio schließlich.
Nicholas lächelte. »Das wäre gar nicht nötig. Tommasos Mätresse wohnt gleich neben Eurer Freundin. Tommaso Portinari. Man hört immer am Klirren seiner Ringe, wann er morgens geht. Was meint
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