Niccolòs Aufstieg
Ihr, könnte ich sie kennenlernen?«
Es war früh für einen solchen Vorstoß, aber er hatte nicht viel Zeit. Er wußte, daß Gregorio eine rasche Auffassungsgabe besaß. Die Vorstellung, daß seine Mätresse begutachtet werde, würde er hoffentlich schnell fallenlassen und begreifen, daß ganz im Gegenteil seine Mätresse aufgefordert wurde, Nicholas zu begutachten. Über den sie zweifellos eine Menge gehört hatte. Und gegen den sie ebenso zweifellos starke Vorbehalte hegte.
Gregorio hatte die Augenbrauen hochgezogen. Er lächelte nicht. Das tat er fast nie. Aber er sah auch nicht grimmig aus. »Jetzt?«
»Warum nicht?«
Nach dem ersten Schreck (sie wusch sich gerade die Haare) verlief die Sache erstaunlich gut, und sie bereitete den beiden Männern ein ausgezeichnetes Mittagessen. Sie hieß Margot, war elegant und nicht dumm. Sie folgte dem Gespräch, das mehr ein scherzhaftes Geplänkel war, mühelos, verlor den Faden nur, als Nicholas von Orten, Personen und Dingen sprach, die sich auf die Geschäfte des Hauses Charetty bezogen. Das war dreimal der Fall, und jedesmal tappte sie im Dunkeln, wie er feststellte, ohne es anders erwartet zu haben.
»Sie gefällt mir sehr«, sagte er, als sie später gingen. »Wenn die Geschäfte in Schwung kommen, werdet Ihr sie besser unterbringen können.«
Gregorio ging langsamer. »Aber ich weiß nicht, ob mir gefällt, was Ihr da getan habt.«
Darauf konnte man nicht viel sagen. Nicholas blieb an seiner Seite.
»Es gab wohl keine andere Möglichkeit, es noch rechtzeitig zu überprüfen«, bemerkte Gregorio. »Heißt das, sie wird beobachtet werden?«
»Mein Gott, von wem denn?« Nicholas lachte. »Von Tommaso vielleicht. Sie wäre es wert. Aber nein. Ich habe gesagt, ich würde Euch vielleicht ein Angebot machen, und nun mache ich es. Es betrifft eine Unternehmung von mir, mit der das Haus Charetty nichts zu tun hat. Das heißt, ich allein trage das Risiko, aber Charetty ist am Gewinn beteiligt. Die Schwierigkeit besteht darin, daß alles absolut geheim ablaufen muß. Ich habe jetzt einen Teilhaber in Italien und brauche einen Juristen, auf dessen Verschwiegenheit ich mich verlassen kann, Wenn die Sache scheitert, hättet Ihr weiterhin Euren Platz im Unternehmen der Demoiselle - außer natürlich, es scheitert durch Euer Verschulden. Das glaube ich zwar nicht, aber Vertrauensbruch hat es immer schon gegeben.«
Gregorio antwortete nicht gleich. »Keiner kann sagen, daß er sich nicht mit dem einen Herrn Überwerfen und zu einem anderen gehen wird. Das kommt vor. Vielleicht gefällt Euch meine Art nicht, wenn Ihr mich näher kennenlernt. Vielleicht gefallen mir Eure Pläne nicht, wenn ich sie höre. Aber eins kann ich Euch sagen, ich finde das Recht interessanter als Geld. Und kein Anwalt wird lange praktizieren, wenn er Geheimnisse nicht für sich behalten kann. Ich werde Euch vielleicht verlassen, aber ich werde Eure Unternehmungen nicht verraten.«
»Das ist gut«, sagte Nicholas. »Kommt heute abend in mein Zimmer, dann sage ich Euch, was Ihr nicht wißt, und Ihr werdet wahrscheinlich Eure Truhen packen und gehen. Aber jetzt muß ich hier hinein und mit Lorenzo Strozzi sprechen. Das Mittagessen war wirklich sehr gut.«
»Ihr müßt wiederkommen«, sagte Gregorio, und es schien ihm ernst zu sein.
Lorenzo Strozzi, der seit dem peinlichen Vorfall vor der Poorterslogie mit keinem aus dem Haus Charetty mehr gesprochen hatte, wollte den Pförtner in der Riddersstraat bereden, ihn zu verleugnen, mußte aber am Ende klein beigeben und sah Nicholas finster entgegen, als der ins Kontor kam und sich unaufgefordert setzte.
Und ihm ebenso unaufgefordert erklärte, warum er gekommen war.
Schon beim dritten Wort versuchte Lorenzo nicht mehr, ihn zu unterbrechen. Beim zehnten stand nur noch Entsetzen in seinem Gesicht. Und zum Schluß starrte er Nicholas fassungslos an und sagte immer wieder: »Gekentert!«
»Vor der bretonischen Küste, ja. So wurde mir berichtet. Aber der Vogel Strauß ist gerettet und wohlauf. Der einzige Strauß, der je der Seenot entkam. Nur ist er jetzt beschlagnahmt, bis die Versicherungsfragen geklärt sind wegen der Ansprüche, wißt Ihr, auf das Wrack und das Treibgut. Schwierig das Ganze. Und wer kennt sich in der Bretagne schon mit der Fütterung von Straußen aus.«
»Was ist mit seinem Pfleger? Er muß doch einen Pfleger haben. Und hat denn niemand Widerspruch eingelegt? Der Vogel ist für den Herzog von Mailand bestimmt. Einen Gesandten. Wir
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