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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Und jetzt war Sommer. Er würde die Reise schnell zurücklegen. Aber wie schnell auch immer, zwei Monate würde er mindestens weg sein, vielleicht sogar länger. Und sie allein dem feindseligen Simon aussetzen. Vielleicht auch Jordan de Ribérac, Diese Aussicht beunruhigte sie. Nach einigem Nachdenken fiel ihr jedoch ein, daß es eine Alternative gab.
    Wäre sie nicht so besorgt gewesen, wäre sie vielleicht anders vorgegangen. Doch so wie die Dinge lagen, fing sie Nicholas am Freitag im Morgengrauen ab, als er munter die Treppe hinunterlief. »Setz dich da mal hin«, sagte sie.
    Sie waren allein. Die Zimmer ringsum waren leer. Er setzte sich bereitwillig auf die Stufe, auf die sie gedeutet hatte, und schaute sie aufmerksam an. Sie setzte sich ein Stück weiter unten hin und faltete die Hände im Schoß. »Traust du Gregorio?«
    »Ja.«
    »Traust du ihm zu, das Unternehmen zwei Wochen lang allein zu leiten? Könnte Gregorio das?«
    »Nein.«
    »Ich dachte -«
    »Nein, Ihr reist nicht mit mir mit, Demoiselle.«
    Sie stieß einen verzweifelten Laut aus. Immer wußte er auf Anhieb Bescheid. »Nicht nach Mailand«, sagte sie in dem Ton, in dem sie mit Henning sprach. »Ich will nur bis Dijon mitkommen und den Mann meiner Schwester besuchen und dann meinen Verwandten Jaak und seine Frau in Genf. Sollte ich ihnen nicht sagen, wen ich geheiratet habe?«
    »Nein.«
    »Meinen einzigen Verwandten?« Marian beobachtete ihn, während er überlegte, wie er reagieren sollte.
    »Eure Schwester ist tot, und Thibault muß fast siebzig sein und ist seit Jahren nicht ganz bei Verstand. Ihr wärt nur bekümmert und er wahrscheinlich auch. Er hat kein Interesse an mir gezeigt seit dem Tod meiner unglücklichen Mutter.«
    »Er hat eine Tochter aus der zweiten Ehe mit meiner Schwester.«
    Sein Gesicht war ganz ruhig. »Adelina. Sie war fünf, als ich zu Jaak geschickt wurde. Inzwischen wird sie verheiratet sein.«
    »Und du willst sie nicht sehen? Und auch den Vater deiner Mutter nicht, ehe er stirbt? Machst du es ihm so sehr zum Vorwurf, daß er dich zu Jaak geschickt hat? Später, als er erfuhr, wie sie dich behandelten, hat er doch wenigstens noch etwas für dich getan und dafür gesorgt, daß du zu Cornelis und mir geschickt wurdest.«
    Da veränderte sich sein Gesicht, »Ja, dafür schulde ich ihm Dank. Aber keinen Besuch. Könnt Ihr mir das nachsehen, gesteht Ihr mir das zu? Wenn Ihr unbedingt meint, ihn besuchen zu müssen, dann könnte ich Euch dort mit einer Eskorte absetzen, die Euch heil und sicher wieder nach Hause bringt.«
    »Und Jaak in Genf?«
    Er lächelte plötzlich, »Ich weiß nicht, was Ihr da wollt. Zumindest keinen Krankenbesuch machen. Wollt Ihr etwa zu meinen Gunsten Eindruck schinden?«
    Sie lächelte ebenfalls. »Zum Teil. Laß mir doch das Vergnügen. Was könnte Jaak mir oder dir jetzt noch antun?«
    »Euch beleidigen. Und da könnte ich nicht ruhig danebenstehen und es geschehen lassen.«
    »Du hast also immer noch Angst vor ihm?«
    Nicholas antwortete erst nach einer kurzen Pause. »Ich kann ihn jetzt verstehen.«
    »Ich meine, du ganz persönlich?«
    »Oh, ganz persönlich habe ich Angst vor ihm. Ja. Immer noch.«
    »Würdest du gern einen Kampf gegen ihn austragen? Ihn schlagen? Ihn überwältigen?«
    Sein Blick zeigte nichts als Überraschung. »Jaak de Fleury ist dreißig Jahre älter als ich. Mindestens. Ich habe Angst vor ihm, ich werde immer Angst vor ihm haben. Was könnte ich da halbwegs Vernünftiges tun?«
    Sie schluckte. Begann zu sprechen, schluckte wieder. »Ich habe dich nur gefragt, wie du zu ihm stehst; das heißt nicht, daß ich eine körperliche Auseinandersetzung zwischen euch erwarte. Ich möchte ihn gern besuchen. Und ich glaube auch nicht, daß dir das schaden würde. Wenn er mich beleidigt, kannst du mich mit Worten verteidigen. Du weißt, daß du das kannst.«
    Er schwieg.
    »Und Thibault«, fuhr sie fort, »ist älter geworden und krank. Ein Besuch bei ihm ist ein Akt reiner Barmherzigkeit. Er hat dich und deine Mutter zu sich genommen. Du wurdest erst weggeschickt, als er sich nicht mehr um dich kümmern konnte.«
    Sie hielt kurz inne. »Du könntest mir das sicher alles mit guten Begründungen ausreden. Aber ich möchte wirklich dorthin. An beide Orte. Ich würde es nicht vorschlagen, wenn es dir schaden könnte.«
    Er hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt, hielt beide Hände vor den Mund und blickte an ihr vorbei in die dämmrige Halle. Sie verließ sich darauf, daß er auch

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