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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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alle von ihr nicht erwähnten Argumente kannte und sich selbst ein Bild ihrer Beweggründe machte. Wenn es falsch war, um so besser. Schließlich war er zu einem Entschluß gelangt, das sah sie so deutlich, als hätte er es ausgesprochen. Ja, ich kann es ertragen. Aber er stimmte nicht sofort zu, sondern fragte: »Was wird Felix darüber denken?«
    »Nichts für uns Schmeichelhaftes: daß du einen Triumphzug wolltest und ich, schwach wie ich bin, nachgegeben habe. Eine kleinliche Rache an Jaak de Fleury. Und natürlich eine Warnung. Jetzt kann Jaak dem kleinen Claes nichts mehr anhaben, denn jetzt steht die Witwe de Charetty hinter ihm.«
    Schon längst hatte er darin ihren wirklichen Beweggrund erkannt. »Wenn Felix uns nur so gut kennen würde wie wir ihn. Ja. Natürlich. Wenn Ihr es so sehr wünscht, dann machen wir es.« Danach war er noch eine Stunde in der Färberei und ging dann unerwartet mit Gregorio in die Spanjaardstraat. Vormittags, das wußte sie, hatte er eine Besprechung mit Jehan Metteneye.
    Gerüchte hatten ihr verraten, welcher Mittel sich Nicholas wahrscheinlich bedient hatte, um Gregorio auf ihre Seite zu ziehen. Wie er Jehan Metteneyes verständliche Voreingenommenheit überwunden hatte, ahnte sie nicht. Seine Frau hatte seit der Heirat weder mit Nicholas noch mit ihr gesprochen. Nicholas und ein hübsches Mädchen, im Keller erwischt. Sie bemühte sich, nicht daran zu denken. So waren Männer eben. Manchmal hatte sie gewünscht, Cornelis wäre weniger gesetzt gewesen. Sie nahm an, daß auch Jehan Metteneye seine Geheimnisse hatte und sie als in Badehaus und Schenke erfahrener Mann zu wahren gewußt hatte, indem er Nicholas Vertrauen entgegenbrachte. Um Jehan Metteneye wirklich für sich zu gewinnen, mußte ein junger Mann alle Möglichkeiten nutzen. Was sie nicht wußte, tat ihr nicht weh.
    Jetzt galt es erst einmal, an Felix und das Turnier zu denken. Ihr Sohn schlief noch. Sie würde ihm nicht helfen, indem sie sich Sorgen machte. Sie mußte ihre Pläne so gestalten, als würde er den Kampf am Sonntag unverletzt, glücklich und erfolgreich überstehen. So als könnte sie tatsächlich am Montag aufbrechen und zwei Wochen lang durch Burgund und Savoyen reisen.
    Und das hieß Listen aufstellen und Vorkehrungen treffen, wovor ihr jetzt schon graute. Gregorio müßte das Geschäft führen, um das sie sich gewöhnlich kümmerte. Das war natürlich der Grund, warum Nicholas so früh in die Spanjaardstraat gegangen war. Sie durfte nicht vergessen, daß auch er nur ein Mensch war und sie ihn nicht unbegrenzt belasten konnte. Doch bislang schien er noch nicht überfordert zu sein.
    Als später an diesem Vormittag drei Reiter in den Hof preschten, arbeitete sie gerade mit Henning in ihrem Schreibzimmer und achtete nicht auf den kleinen Tumult draußen. Fünf Minuten später stürzte Felix mit hochroten Wangen herein. »Mutter!«
    Hinter ihm tauchte ein ungemein prächtig gekleideter Mann auf, in einem samtenen Reitanzug, mit drapiertem Hut und von Juwelen geschmücktem Halstuch. Sie kannte ihn. Es war Roland Pipe, der zum Gefolge des Grafen Karl von Charolais gehörte, dem höchst eigensinnigen Sohn des Herzogs von Burgund.
    Sie erhob sich und knickste. Henning drückte sich an die Wandtäfelung. Der Gesandte des Grafen verbeugte sich, »Mutter!« rief Felix. »Der Graf fragt… der Gesandte bringt eine Einladung für mich von Monseigneur de Charolais. Eine persönliche Einladung. Zu einer großen Jagd. Einer besonderen Jagd am Sonntag auf Genappe. Ich muß aufbrechen. Sofort.«
    »Welch Ehre!« sagte Marian de Charetty. Sie bot dem Gast Platz an, gab Henning einen Wink, er möge Wein bringen, und setzte sich, aufgeregt lächelnd und atemlos. Der Inbegriff einer bürgerlichen Mutter, die überwältigt war von der Gnade, die ihrem bürgerlichen Sohn zuteil wurde.
    Der Inbegriff einer Mutter, die Gott dankte, weil ihr Sohn jetzt keine Entschuldigung mehr brauchte, wenn er sich beim Turnier am Sonntag nicht den feindlichen Lanzen stellte. Denn wenn der Erbe des Lehnsherrn rief, war keine Entschuldigung zulässig. Gott sei Dank, dachte sie, und noch jemand anderem.
    Als Nicholas sehr viel später zurückkam, war Felix schon fort. Die ganze Färberei war erfüllt von der Neuigkeit. Nicholas setzte sich hin und ließ sich die Geschichte von den Arbeitern berichten. Die meisten von ihnen waren enttäuscht. Es war natürlich schön, daß die großen Herren endlich den Wert der Familie Charetty erkannten. Aber

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