Niccolòs Aufstieg
Vaters, da können sie sich zumindest darauf verlassen, daß ich meinen Wein trinken kann, ohne ihn zu verschütten. Aber ich gehe gar nicht hin. Das habe ich weiß Gott nicht nötig. Was sind das schon für Leute - flämische Holzköpfe.«
»Sag das noch mal!« forderte Felix ihn auf und nahm schon einmal seinen Hut ab.
John und Anselm, rechts und links neben ihm, änderten diskret die Haltung, um ihn bei Bedarf zurückhalten zu können.
»Felix mag die junge Dame nicht, van Borselens Tochter. Er hat ihre Haube ins Wasser gestoßen«, erklärte Claes.
Das wütende Funkeln in Felix’ Auge wich der üblichen Gereiztheit. Seine Schultern entspannten sich. »Ich habs dir doch gesagt, du hättest nicht hinterherspringen sollen. Aber Lorenzo braucht nicht so -«
»Lorenzos Bruder liegt krank in Neapel, und er macht sich Sorgen«, bemerkte Sersanders.
»Lorenzo vermißt Spanien«, sagte John Bonkle. »Stellt euch vor, mit dreizehn nach Spanien geschickt zu werden! Überall diese jungen schwarzen Dienstmädchen und dazu das Klima. Felix, warum eröffnet ihr nicht eine Niederlassung in Spanien? Du würdest sie leiten, und wir würden alle kommen und dir helfen. Julius könntest du hier bei deiner Mutter lassen.«
Felix wurde rot. Ein Vergleich des Hauses Charetty mit einem der großen Handelshäuser, die überall in Europa Niederlassungen hatten, war ein Kompliment. »Oh«, sagte er, »ich würde Julius mitnehmen. Er ist ein guter Mann.«
»Mich auch?« fragte Claes. Sein Haar umstand, wie immer wenn es feucht geworden war, in einer braunen Wolke seinen Kopf. Er lag bäuchlings im Gras und hatte noch nicht bemerkt, daß Felix die Nestelbänder aufgezogen hatte, mit denen seine Hose am Wams befestigt war.
»Dich?« rief Lorenzo. »Du hättest doch binnen einem Monat ganz Spanien geschwängert, ob christlich oder muslimisch.«
»Dann bleibe ich eben in Brügge«, entschied Claes. »Lorenzo, warum will Felix nun eigentlich, daß Ihr zu den van Borselens geht?«
Alle sahen Felix an.
»Es stimmt gar nicht, daß er das Mädchen nicht mag; er hat ein Auge auf sie geworfen«, sagte John Bonkle. »Komm schon. So ist es doch?«
Felix lächelte nichtssagend. Er wollte tatsächlich wissen, wie Simon gekleidet war. Und er bekam es auch heraus. Lorenzo nämlich, der wußte, wie sehr er die Geduld des Freundes strapaziert hatte, ging nach Hause in die Riddersstraat, wo das Haus der Familie Strozzi stand, kleidete sich frisch an und fand sich dann mit Tommaso Portinari im Hause Florens van Borselens und seiner Tochter Katelina ein.
In der Zilverstraat waren den ganzen Nachmittag Männer mit ihren Ehefrauen eingetroffen, um der kürzlich aus Schottland zurückgekehrten (und weiterhin unverheirateten) Katelina van Borselen ihre Aufwartung zu machen. Katelinas kleine Schwester Gelis beobachtete den Aufmarsch, zählte die Gäste und berichtete Katelina, manchmal ohne abzuwarten, bis die Herrschaften außer Hörweite waren, welche der Damen schwanger war und von wem.
Der Empfang fand im Garten statt, einem bescheidenen gepflasterten Hof, der hübsch geziert war mit Kübelpflanzen, kleinen Bäumen und einem Springbrunnen. Auf einer mit Polstern ausgestatteten steinernen Bank hatte Bischof Kennedy aus Schottland Platz genommen. Hinter ihm stand sein Handelsbeauftragter.
Es war, da ja Wolfaert van Borselen mit der Schwester des schottischen Königs verheiratet war, eine Zusammenkunft von Freunden Schottlands. So drehten sich die Gespräche denn auch zunächst vor allem um die Versenkung jener Kanone namens Mad Martha, ein Zwischenfall, der allgemein bedauert wurde, und nicht zuletzt von den Importeuren französischer Weine. Niemand deutete auch nur an, daß es England, sollte es von den Schotten unter Beschuß genommen werden, schwerfallen dürfte, Truppen freizusetzen, um in Frankreich einzumarschieren, was Bischof Kennedy gefreut und dem englischen König Heinrich VI. genützt hätte. Niemand sprach davon, daß eine Anzahl englischer Flüchtlinge, die mit der Herrschaft König Heinrichs nicht einverstanden waren, unter ihnen auch Anhänger des Hauses York, gerade jetzt planten, nach England überzusetzen und den Herrscher in aller Höflichkeit in Gewahrsam zu nehmen. Niemand verlor ein Wort über den Dauphin, den französischen Thronerben.
Man sprach über Zucker aus Madeira und über die Pfefferpreise. Man sprach über eingesalzenen Lachs und beantwortete Bischof Kennedys Fragen über die Ausfuhr von gutem Schiefer und
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