Niccolòs Aufstieg
Bruchstein. Man sprach höflich und mit Vorsicht das heikle Thema der Schiffsversicherung an. Für jeden Kaufmann waren diese mit Fallen, Zweideutigkeiten und unerwarteten Neuigkeiten gespickten Gespräche ungeheuer faszinierend.
Simon von Kilmirren jedoch, der Mann, der möglicherweise ihr Ehemann werden würde, stand, wie Katelina bemerkte, abseits vom Geschehen und beschäftigte sich mit seinem eleganten Hund, ohne daran zu denken, sich an diesem nützlichen Gedankenaustausch zu beteiligen.
Sie fragte sich, ob es ihm an geschäftlichem Instinkt fehlte. Sie fragte sich, da sie beobachtete, daß sein Blick von Zeit zu Zeit zu ihr hinüberflog, ob er aus anderen Gründen ungeduldig war. Ihr fiel auf, daß Tommaso Portinari, der junge Florentiner vom Bankhaus Medici, mehr sprach, als den Älteren in der Gesellschaft recht war. Ihr fiel auf, daß sein Gefährte, der griesgrämige junge Strozzi, sich mehr für Simons Kleidung zu interessieren schien als für die Ansichten des schottischen Bischofs.
Simon, im kurzen, enggegürteten Wams mit breiten gepolsterten Schultern und einem hohen Hut mit gerollter Krempe auf dem tadellos geschnittenen vollen Haar, war wie immer eine Augenweide. Sein Kinn, so glatt wie helles Holz, hatte etwas Starres, Unnachgiebiges. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte (man brauchte nur daran zu denken, wie er sich auf diese albernen jungen Männer in Damme kapriziert hatte), konnte er hartnäckig sein.
Aber unter den Schulterpolstern waren Muskeln. Er hatte in Schottland häufig an Turnierkämpfen teilgenommen und als Sieger das Herz manch vornehmer Witwe und vernachlässigter Ehefrau erobert, die unter den Zuschauern saß. Wenn er außereheliche Kinder hatte, so hatte Katelina nichts davon gehört.
Sie sprach mit allen: Jacques Doria, Richard Wylie, Sandy Napier. Mick Losschaert, dem es vor kurzem erst gelungen war aus Konstantinopel zu entkommen, kannte die griechische Familie Acciajuoli. Noch verbittert und gelbgesichtig von Entbehrungen, hielt er mit seiner Geringschätzung nicht hinter dem Berg. Florentinische Emporkömmlinge, die über Neapel nach Griechenland gelangt waren und dort eine Dynastie athenischer Fürsten begründet hatten. Es gebe noch Angehörige der Familie in Florenz. Handlanger der Medici.
Er wage zu bezweifeln, erklärte Mick Losschaert, daß Nicholai Giorgio de’ Acciajuoli im Ernst erwarte, die vereinigten christlichen Flotten würden über das Mittelmeer brausen und den türkischen Sultan Mehmet vernichten. Er habe vielmehr den Verdacht, sagte Losschaert, der ehrenwerte Messer de’ Acciajuoli habe nichts anderes im Sinn, als das Lösegeld für seinen Bruder Bartolomeo zu bezahlen, damit dieser weiterhin seinen Seidenhandel mit dem Sultan betreiben könne. Er überlegte laut, wo das Geld geblieben sei, das man in Schottland für Acciajuoli gesammelt hatte, und wer das Vergnügen haben werde, es zu überbringen.
Eine gewisse Spannung breitete sich unter den Anwesenden aus, und der Bischof atmete pfeifend. Er maß in seinen Sandalen fünf Fuß und acht Zoll und war fünfzig Jahre alt, doch das eingefallene, faltige Gesicht unter dem schütteren Haar schien einem wesentlich älteren Mann zu gehören. Katelina hatte auf der Schiffsreise gelernt, ihn nicht zu unterschätzen. Wenn er sprach, so bemerkte man in den zuckenden Augenbrauen und dem angriffslustig vorgeschobenen Kinn die Kraft und Lebhaftigkeit eines Mannes, der zumindest geistig noch sehr beweglich war.
Jetzt warf er auf seiner gepolsterten Bank sitzend einen schnellen Blick zu Losschaert hinauf. »Ich müßte mich schon sehr getäuscht haben, wenn der König von Schottland, mein Cousin Jakob, von seinem Volk Gold verlangt hat, um einem Seidenhändler in Konstantinopel wieder auf die Beine zu helfen. Und ebenso die ehrenwerten Herren - Ihr müßt ihre Namen kennen, sie sind weithin bekannt -, die aus dem Osten nach Mantua reisten, um beim Papst unter Tränen um Hilfe zu bitten.«
»Euer Gnaden, das ist ein Mißverständnis«, versicherte Losschaert hastig. »Ich wollte lediglich sagen, daß zwischen Ost und West in Kriegszeiten wie in Friedenszeiten vielerlei Interessen auf dem Spiel stehen. Bei Einzelbittstellern ist Vorsicht geboten. Es ist etwas ganz anderes, wenn die gesamte christliche Gemeinde des Ostens Rom um Freundschaft und Hilfe bittet.«
Tommaso Portinari hatte, wie Katelina bemerkte, einen Becher Wein entgegengenommen und sich den Diskutierenden zugesellt. Der Bischof hielt
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