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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Kaufmannshäuser voller Fenster. Brügge, das war der vielstimmige Klang des bewegten Wassers; das unvergleichliche Echo, das von den Backsteinmauern zurückgeworfen wurde; das Rascheln der Bäume; das Knallen trocknender Wäsche im Marschwind; und die dumpfe Klage des geschundenen Tuchs, das in den Spannrahmen vibrierte. Brügge war der heisere Schrei der Möwen und der Ruf der Glocken.
    In Edinburgh läuteten Glocken von allen Türmen, doch wer in Brügge geboren war, der war mit dem Pulsschlag der Mutter und dem Glockenschlag des Belfried zur Welt gekommen. Viermal täglich die Arbeitsglocke, wenn die Mütter ihre Kleinen vor den Füßen der Weber retteten. Die Stundenglocke. Die große Glocke, die bei Krieg und zu Ehren von Fürsten geläutet wurde und die bis auf die Achterdecks in Damme zu hören war. Die Hochzeitsglocke. Auch daran wollte sie nicht denken. Sie war in Schmach und Schande aus Schottland zurückgekehrt, nachdem sie sich geweigert hatte, den Mann zu heiraten, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte. So etwas tat man nicht. Eine Tochter hatte die Pflicht, eine Ehe einzugehen, wie das Wohl der Familie sie gebot, und ihr Vater hatte keine Söhne. Nun blieben ihr nur zwei Möglichkeiten. Das Kloster oder die Heirat mit einem anderen Kandidaten ihres Vaters. Und sie wußte schon, wer da am ehesten in Frage kam.
    Simon, der Erbe der Familie Kilmirren, hatte sich bisher nicht erklärt. In Schottland hatte sie die Königin begleitet, wohin auch immer der Hof sich begeben hatte, und das war nicht immer Edinburgh gewesen, wo Simons Onkel ein Stadthaus besaß und seine Geschäfte abwickelte. Sie wußte aus verschiedenen Gründen eine Menge über Simon. Seine Schwester Lucia war Hofdame zweier schottischer Prinzessinnen gewesen, von denen die eine nach Frankreich geheiratet und die andere sich mit Katelinas Cousin Wolfaert vermählt hatte.
    Katelina, die damals noch ein Kind gewesen war, erinnerte sich nicht an sie. Ohnehin hatte Lucia, mit einem portugiesischen Adeligen verlobt, den Hof sehr bald verlassen. Der Klatsch jedoch über ihren Bruder, den schönen Simon mit dem blonden Haar, hatte die van Borselens noch lange nachher unterhalten. Katelina wußte daher, daß er als junger Mensch in Frankreich ein wildes Leben geführt hatte und mit Schimpf und Schande zu seinem Onkel, dem Oberhaupt der Familie, zurückgeschickt worden war. Sie hatte Alan, Lord von Kilmirren, selbst kennengelernt, einen gehässigen und geistig schwerfälligen Mann, der sich in Gesellschaft seiner Saufkumpane am wohlsten fühlte und kein höheres Ziel hatte, als ein bequemes Leben zu führen. Er war weiß Gott nicht der Richtige gewesen, um mit einem Jungen wie Simon fertig zu werden.
    Es war dem Verwalter überlassen worden, Simon beizukommen. Fünf Jahre lang hatte der allem Bemühen, ihn zu bändigen, widerstanden und war mit seiner französischen Garderobe und seinen französischen Manieren so großspurig aufgetreten, wie es ihm die geringen Einkünfte, die sein Onkel ihm gewährte, erlaubt hatten. Was ihn schließlich bewog, seinen Lebenswandel zu ändern, war nur zu vermuten. Geldmangel wahrscheinlich, nahm Katelina an. Dann starb der Verwalter, und Simon übernahm seine Stellung. Beim Eintreffen Katelinas in Schottland war er Verwalter der Güter seines Onkels in Kilmirren und Dunbar gewesen; ein durchaus wohlhabender Mann mit einem Gespür für neue Ideen und Geschäfte, das er allerdings nur gelegentlich nutzte, und einem Einkommen, das ausreichte, um seine Bedürfnisse zu befriedigen und für geschäftliche Angelegenheiten, die ihn langweilten, einen Stellvertreter zu beschäftigen.
    Sie wußte, daß Simon die Rolle des vagabundierenden Höflings in Schottland und Flandern genoß und sorgsam darauf bedacht war, keine öffentlichen Ämter zu übernehmen, die ihn nur gebunden hätten. Er war nicht verheiratet, und es wurde gemunkelt, er führe ein ausschweifendes Leben. Das schien auch zu stimmen. Andererseits war sein Onkel kinderlos, und Simon selbst war der einzige Sohn. Kilmirren würde eines Tages ihm gehören, und darum mußte er sich verheiraten. Das hatte sie schon während ihres Aufenthalts in Schottland gewußt, aber da war sie noch einem anderen versprochen gewesen und hatte Simon so wenig beachtet wie er sie. Auf der Schiffsreise nach Süden hatte sie sich zu elend gefühlt, war zu ängstlich gewesen, um Gesellschaft zu wünschen. Auch Stolz hatte mitgespielt. Den ihr vom Vater Bestimmten zurückzuweisen und dann

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