Niccolòs Aufstieg
es der König von Frankreich gewiß, wenn er erfuhr, was Simon in Calais getrieben hatte. Dennoch war John Reid interessiert gewesen, und er hatte Simon erlaubt, Muriella - natürlich unter strenger Aufsicht - als seine Ehrendame mitzunehmen.
Die Anwesenheit der Anstandsdame störte ihn im Augenblick nicht. Heute abend war das große offizielle Festmahl »Im Zeichen des Mondes« auf dem Marktplatz. Der Forestier, der Sieger des Vorjahrs, würde bereits mit seinen Herolden, Pfeifern und Trommlern durch die Stadt ziehen und damit die vornehmen Damen und edlen Jungfrauen zum Bankett der Gesellschaft Weißer Bär rufen.
Muriella würde seine Tischdame bei dem Festmahl sein, das so sittsam früh endete, daß er sie ebenso sittsam nach Hause begleiten konnte. Anschließend erwartete ihn noch, wie immer vor einem Turnier, ein erprobtes Willkommen. Unkompliziert, erfahren und schnell. Auf diese Weise verlor man keine Zeit, ehe man zur Sache kam, und auch hinterher nicht, wenn man fertig war. Morgen wollte er schließlich, schon um seiner Ehrendame willen, gut dastehen.
Denn wenn die Dame ihn beim Turnier gewinnen sah, wenn sie mit ihm tanzte und bei den Banketten einen Becher Wein mit ihm teilte, ehe sie allabendlich in ihr kaltes Bett zurückkehrte, dann würde sie vielleicht beginnen, an jene kurze Heimreise in seiner Gesellschaft zu denken. Sie würde seine Ritterlichkeit bewundern. Und sie würde vielleicht, wie Damen es tun, davon träumen, diese auf die Probe zu stellen. Und in irgendeinem Gasthof unterwegs würde sie, da war er sicher, Mittel und Wege finden, um auf freundliche, rücksichtsvolle Art die Behinderung durch die Anstandsdame zu beseitigen.
Und wenn er dann immer noch den Wunsch verspürte, würde er den Bruder um ihre Hand bitten und um die Mitgift, die ihm schon zu drei Vierteln versprochen war.
Unterdessen war Simon in Metteneyes Gasthaus, wo er die Unterkunft für sich, seine Diener, seine Pferde und seine Ausrüstung regelte, zurückhaltend höflich zu Jehan Metteneyes Frau, die immer noch so listig und großbusig war, wie er sie in Erinnerung hatte. Die Dienerin Mabelie war natürlich weg. Die Frau erwähnte das nicht, auch nicht die Affäre mit Claes. Nachdem er Brügge das letzte Mal verlassen hatte, waren eine ganze Zeitlang Reisende auf dem Weg nach Schottland ihn besuchen gekommen und hatten ihm die ermutigende Neuigkeit der Genesung seines jungen Freundes überbracht. Und später wurde Simon berichtet, dieser sei von Brügge nach Italien gegangen, um Soldat zu werden. Das Ende eines Unruhestifters, vermutete er.
Der schottische Kaplan John of Kinloch war es, der ihm diese Illusion raubte. Er kam ihm auf der Treppe entgegen, und statt beiseite zu treten, nutzte er die Gelegenheit, ihm Komplimente über die herrliche Rüstung zu machen, von der er schon so viel gehört habe, und über das prächtige Wams, das er jetzt trage und dessen linker Ärmel wahrhaftig eines Königs würdig sei. Und dann fügte er hinzu, ohne sich vom Fleck zu rühren, wie sehr Simon die neuesten Nachrichten vom jungen Nicholas interessieren müßten.
Wenn der Kerl glaubte, sich anbiedern zu können, dann hatte er Pech gehabt. »Verzeiht«, sagte Simon. »Ich weiß nicht, wen Ihr meint.« Er sah die Treppe hinunter. Metteneye kam. Die Rettung.
»Oh«, erwiderte John of Kinloch. »Ihr kennt ihn unter dem Namen Claes. Wer hätte gedacht, daß all das geschehen würde, damals, als kaum Hoffnung für sein Leben bestand?«
Das erklärte Kinlochs Lächeln. Simon lächelte jetzt seinerseits den Kaplan und Jehan Metteneye an, der die Treppe weiter heraufkam. »Ich habe gehört, er war in Italien«, sagte er höflich amüsiert. »Hat er da sein Glück gemacht? Als Söldnerführer?«
Beide Männer lachten. Kinloch rückte beiseite, Metteneye trat auf dieselbe Stufe und tippte Simon mit einem Finger auf die Brust. »Jetzt haben wir Euch drangekriegt«, sagte er. »Ihr werdet es nie erraten. Nein, hier in Brügge, der Gauner. Er hat die Witwe de Charetty geheiratet und leitet ihr ganzes Unternehmen!«
» Geheiratet! Sicher nicht.«
»Doch, ganz rechtmäßig«, erwiderte der Kaplan. Sein Lächeln war noch breiter geworden, der Teufel sollte ihn holen. Er hatte bekommen, was er wollte. Simon versuchte gar nicht, seine Gefühle zu verbergen. »Natürlich sind sie verwandt, aber es soll einen Dispens geben. Es wundert mich, daß Bischof Coppini es Euch gegenüber in Calais gar nicht erwähnt hat. Er hat die kirchliche Trauung
Weitere Kostenlose Bücher