Niccolòs Aufstieg
Umständen nicht die Mittel haben, um Ersatz für Menschen, Rüstungen und Pferde zu schaffen und den Rest Eures Vertrags zu erfüllen; und Ihr könnt nicht sicher sein, einen neuen zu erhalten. Auch diesem Risiko seid Ihr jetzt ausgesetzt, und es steht kein Unternehmen hinter Euch, das den Schlag auffangen kann.«
Gregorio hielt inne, senkte den Blick und wandte ihn von dem abgespannten, unbewegten Gesicht der Demoiselle ab. Irgendwann im Laufe der Nacht hatte sie ihr schönes braunes Haar hochgesteckt und einen Reitumhang über ihr Nachtgewand gezogen. Er hatte sich gefragt, ob er zulassen sollte, daß sie sich zurückzog, getröstet durch die Hirngespinste eines jungen Mannes, aber hatte dann erkannt, daß es letztlich hilfreicher war, wenn sie der Wirklichkeit ins Auge blickte. »Demoiselle, es tut mir leid, das sagen zu müssen. Aber eigentlich könnt Ihr nichts anderes tun, als Eure Belegschaft, mich eingeschlossen, zu entlassen und nach Löwen zurückzukehren, nachdem Ihr den neuen Grundbesitz wieder verkauft und einige Eurer Gläubiger abgefunden habt. Und Nicholas kann sich jetzt natürlich nicht mit seinem Alaun-Plan befassen.«
Voll aufrichtigem Bedauern blickte er wieder auf. Die blauen Augen der Demoiselle ruhten auf ihm, dann richteten sie sich auf Nicholas.
»Nicholas befaßt sich nicht nur mit seinem Alaun-Plan«, sagte Nicholas, »er bricht auch am Dienstag auf, um ihn abzuschließen. Dieses Vorhaben allein wird uns wieder auf die Beine bringen. Man könnte glauben, es sei noch nie ein Schiff untergegangen oder es habe noch nie Überschwemmung oder Hungersnot gegeben. Für uns ist das hier ein Unglück, aber nicht für unsere Mitbürger. Sie werden uns unterstützen. Sie werden uns Kreditverlängerungen gewähren. Und wenn sie es nicht aus Brüderlichkeit tun, dann aus Eigennutz. Dafür werde ich sorgen. Ihr habt die vielgerühmten Kurierverträge vergessen. Sehr viel Tuchhandel werden wir wohl nicht betreiben können, aber wir können mit Nachrichten handeln.«
Die hatte er vergessen. »Die Briefschaften?« fragte Gregorio.
»Hier, in der Spanjaardstraat. Ich würde ein ganz anderes Gesicht machen, wenn sie nicht hier wären.«
»Dienstag?« fragte die Demoiselle.
Nicholas drehte sich zu ihr um. »Die Färberei ist immer von Euch geleitet worden. Ihr kennt die Zunft, kennt die Probleme besser als sonst jemand. Wir haben morgen und Montag noch Zeit, alles zu planen, Ihr, Gregorio, Henning und ich. Cristoffels ist unterwegs. Und in ein paar Tagen ist Felix zurück.« Er hielt kurz inne. »Es ist wirklich für alle am besten, wenn ich mich jetzt auf den Weg mache. Natürlich nicht nach Dijon. Ich werde das Tuch nach Genf bringen und dann direkt nach Mailand reisen. Und ich komme zurück, sobald ich kann. Verlaßt Euch darauf.«
»Genf!« sagte die Demoiselle scharf.
»Das Tuch ist bestellt worden. Das Geld wird nützlich sein.«
Gregorio, dem die Augen zufielen, setzte sich entschlossen auf. »Wenn es sich um Thibault und Jaak de Fleury handelt, die haben die letzte Lieferung nicht bezahlt. Es wäre sicher besser, wenn wir das Tuch hier für die Handelsmesse aufheben.«
»Vielleicht habt Ihr recht.« Nicholas sah die Demoiselle an und las offenbar in ihrem Gesicht etwas, das Gregorio entgangen war. »Habt Ihr Felix vergessen?« fragte Nicholas sie. »Wir haben Glück gehabt, daß er nicht hier war und falsche Tapferkeit an den Tag gelegt hat. Wenn er wieder da ist, wird er Euch sagen, wie schlecht wir alles gemacht haben.«
Die Demoiselle lächelte; kurz danach stand sie auf und ging langsam in ihr kleines Arbeitszimmer, wo ein Strohsack für sie bereitgelegt worden war.
Als sich die Tür geschlossen hatte, wandte sich Gregorio an Nicholas. »Sie verdankt Euch sehr viel. Das Unternehmen auch. Aber hört auf meinen Rat. Intelligenz allein reicht nicht, um einen Ausweg aus dieser schlimmen Lage zu finden. Das erfordert Erfahrung, Umsicht. Eure Pläne sind immer riskant. Ihr wollt sie weiter verfolgen. Ihr habt schnell gelernt. Noch schneller sogar habt Ihr Selbstvertrauen erlangt. Aber Erfahrung besitzt Ihr noch nicht.«
Nicholas sah ihn an. Zu Gregorios Überraschung setzte er ein besonders strahlendes Lächeln auf. Es endete mit einem Gähnen, das ihm fast die Kiefer auseinanderriß. »Freund Goro, glaubt Ihr, das wüßte ich nicht? Aber wenn alles, was Ihr gesagt habt, richtig ist - und es ist richtig dann brauchen wir sehr schnell sehr viel Geld von irgendwoher. Und ob ich nun Erfahrung
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