Niccolòs Aufstieg
türkische Alaun Exkommunikation. Er wird auch den Preis erhöhen.«
»Also?« fragte Felix freudig. Welches Spiel spielen wir? fügte er in Gedanken hinzu. Das Leben war dazu da, Abenteuer zu erleben. Das Leben war dazu da, Gelegenheiten zu ergreifen, Angebote anzunehmen, Gewinne zu machen. Das Leben war nicht dazu da, bei Mutter zu Hause zu bleiben.
»Wir halten also die Nachricht über die Entdeckung der neuen päpstlichen Alaunlager zurück«, sagte Nicholas gleichmütig. »Und die Venezianer bezahlen uns dafür. Und liefern uns so viel Alaun zu Schleuderpreisen, wie wir haben wollen, und so lange wir es haben wollen. Oder bis jemand anderes die Entdeckung macht. Wir könnten zwei Jahre dabei herausholen und einen Alaunvorrat, der uns zugute kommt, wenn die Preise steigen.«
Felix dachte nach und merkte erst, daß er lange nachgedacht hatte, als er sah, daß Nicholas ihn beobachtete und leicht lächelte. »Und warum gehst du nach Mailand?«
»Ich muß meinen Kurierdienst wahrnehmen. Sendungen abliefern und entgegennehmen und für beides Gebühren kassieren. Ach ja. Tobias hat mir die Beweise geschickt. Adorne hat sie gesehen und deine Mutter auch. Jetzt muß ich mit den Venezianern reden. Nicht mit den Florentinern, die würden die päpstlichen Minen sofort bekannt machen und sie selbst ausbeuten. Vielmehr mit den Venezianern, die mit dem Phokäa-Alaun Geld verdienen.«
»Deswegen hast du also in Venedig Geld angelegt?«
»Zum Teil. Als ich anfing, wußte ich nicht, daß all das geschehen würde. Und auch nicht, daß ich in Brügge bleibe.«
»Wolltest du Weggehen?«
»Ich bin weggeschickt worden. Wegen ungebührlichen Benehmens. Das mußt du doch noch wissen.«
»Aber du bist zurückgekommen und hast meine Mutter geheiratet.«
Sie hatten von Mann zu Mann gesprochen. Einen Augenblick glaubte er, daß ihm Nicholas von Mann zu Mann antworten werde. Aber mit einem Zögern sagte er schließlich nur: »Ja.«
Danach gab es noch mehr Fragen und Antworten. Irgendwann band Nicholas, während er weiterredete, Felix’ Hände los. Ein Abendessen wurde gebracht und verzehrt. Das Bett, das breit genug war für fünf, wurde für die Nacht zurechtgemacht. Zu diesem Zeitpunkt sagte Nicholas: »Meine Leute haben deine beiden Diener losgebunden und ihnen gesagt, daß du aus freien Stücken mit nach Mailand reitest, daß sie aber herkommen und mit dir sprechen könnten, wenn sie es bezweifeln. Offenbar sind sie eingeschlafen, ohne sich weiter zu beunruhigen. Habe ich recht gehabt?«
»Ich glaube schon«, sagte Felix. Das Essen, die Wärme, der Wein und die Müdigkeit, all das zusammen machte es schwierig noch viel zu sprechen. »Du wolltest mir doch deinen Dolch geben.«
»Das habe ich vergessen«, sagte Nicholas. »Hier ist er. Welche Seite des Betts willst du?«
Felix lag schon im Bett, und obwohl er noch antworten wollte, tat er es nicht.
KAPITEL 33
Diesmal wurden keine Fensterläden aufgestoßen, als der Zug des Hauses Charetty in Mailand eintraf. Schon weil es viel zu heiß war. Außerdem waren die meisten gegnerischen Söldnerführer längst zu ihren jeweiligen Kampfgebieten aufgebrochen, einige in südlicher Richtung nach Neapel, andere dem abtrünnigen Grafen Piccinino folgend zunächst nach Osten.
Und wer kein Söldnerführer war, den konnte das Erscheinen eines jungen Kaufmannssohns und seines Geschäftsführers selbst unter großem Geleitschutz nicht beeindrucken. Den unverzüglichen Einlaß an der Porta Vercellina und die gute Aufnahme im Ospizio al Capello hatte Felix einzig dem Geleitbrief mit den zahlreichen Unterschriften der Medici und der burgundischen Auftraggeber zu verdanken, den Nicholas bei sich trug.
Aber das wußte er nicht. In den sieben Tagen des gemeinsamen Ritts durch die Berge hatte er mit Nicholas über Geschäfte gesprochen, wie man das von einem Kaufmann und seinem Geschäftsführer erwarten konnte. Auf seine Fragen hatte Nicholas ausführliche und wohlüberlegte Erklärungen gegeben, die Felix keineswegs langweilig fand. Sie hatten über Henning und Bellobras gesprochen, über Gregorio und den für Löwen zuständigen Cristoffels. Nicholas hatte ihn in vielen Dingen nach seiner Meinung gefragt, war ihm aber von Zeit zu Zeit auch recht lästig geworden mit seinen Bemühungen, ihm Italienisch beizubringen, damit er den bevorstehenden Verhandlungen würde folgen können.
In Streitgesprächen mit Nicholas zeigte sich bei Felix nicht nur das ungeduldige Naturell, das er von seinem
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