Niccolòs Aufstieg
fürchte«, sagte er mit müder Geste, »der gute Doktor wird keine Gelegenheit mehr bekommen, in Neapel zu kämpfen. Wie ich den Grafen von Urbino kenne, hat er ihn sogleich in seine Dienste genommen. Wenn das so ist, bekommt Ihr selbstverständlich eine Entschädigung, die Euch erlaubt, einen anderen gleichwertigen Arzt zu nehmen. Wie dem auch sei, wir werden nicht vergessen, wie sehr Ihr und er uns geholfen habt. Gedenkt Ihr, selbst an den Kämpfen teilzunehmen, Messer Felix?«
Felix errötete. »Nichts täte ich lieber.«
»Euer Mut ist lobenswert«, erwiderte Cicco Simonetta. »Das sollten wir würdigen. Nach dieser langen Reise möchtet Ihr vielleicht Eure Fertigkeiten ein wenig auffrischen? Es wäre mir eine Freude, Euch zur Übung den Turnierplatz und die Erfahrung unserer Meister zur Verfügung zu stellen. Unser Freund Niccolò, der seine Ohren ja überall hat, weiß, was wir da zu bieten haben.«
Felix wußte auch ohne Nicholas (Niccolò?), daß er von den mailändischen Turniermeistern eine Menge lernen konnte. Schon eifrig dabei, Termine abzusprechen, bekam er nur am Rande mit, daß Nicholas für sie beide eine Abendeinladung bei Prosper de Camulio de’ Medici annahm. Er war böse auf Nicholas. Das mit Tobias hätte er ihm erzählen müssen. Andererseits wirkte der herzogliche Kanzler ausgesprochen zufrieden. Und Geschäft war Geschäft, auch wenn der Abend mit einem herzoglichen Gesandten voraussichtlich mehr als öde werden würde. Er hoffte, die Frauen böten hier die ganze Nacht lang ihre Dienste an. Manchmal konnte man Listen kaufen, wenn man in eine fremde Stadt kam. Aber als er Nicholas danach gefragt hatte, hatte der nur gelacht, ohne zu sagen, warum.
Zusammen mit Nicholas trat er wenig später ins gleißende mailändische Sonnenlicht hinaus. Eine Zeitlang vergaß er seinen Ärger. Alles in Mailand war gewaltig. Direkt vor ihnen erhob sich die größte Kathedrale, die Felix je gesehen hatte. Sie war noch im Bau und von Gerüsten umstellt, auf denen braungebrannte Arbeiter in kurzen Kitteln auf den Planken umhersprangen wie die Möwen auf dem Kran in Brügge. Man mußte Obacht geben, es konnte immer einmal ein Flaschenzug steckenbleiben und ein Eimer sich vorzeitig entleeren. Das Hämmern hinter ihnen kam, wie Nicholas erklärte, aus den Werkstätten, in die der Marmor aus den Steinbrüchen gebracht wurde.
Felix wollte die Wunder des Palazzo Medici sehen, die nächste Station auf ihrem Weg. Er trug eine zweifarbige Strumpfhose, seinen besten Kittel und einen gelben, am Morgen zum Schutz vor der Sonne gekauften Strohhut. Er freute sich darauf, die von ihrem Bruder Tommaso beneideten Brüder Portinari kennenzulernen, denen er ungeniert eine Kassette mit Silber und Wechselbriefen zur Weiterleitung an Tommaso in Brügge anvertrauen wollte.
Auf dem Weg zum Palazzo machte Nicholas einen Abstecher zur Kanzlei eines öffentlich bestellten Schreibers und holte dort drei Päckchen mit Unterlagen ab, für die er in Silber bezahlte. Dann führte er Felix in eine Schenke in der Nähe der Piazza dei Mercanti, wo er bei einem Becher Wein die Päckchen öffnete und prüfte. Es waren zwei komplette Sätze der wörtlich kopierten und beglaubigten Schuldanerkenntnisse von Jaak de Fleury. Ein Satz für das Haus Charetty. Einer zur Aufbewahrung bei Maffino, dem Vertreter des Hauses Fleury in Mailand, um künftige Rücksprachen zu erleichtern. Und die Originale zum Verkauf an das Bankhaus Medici.
»Zum Verkauf ?« fragte Felix erstaunt.
Nicholas, der gerade die Unterlagen wieder verpackte, schien sich nicht bewußt, etwas Bemerkenswertes gesagt zu haben. »Auf die Weise kommen wir am schnellsten zu unserem Geld. Oder wenigstens zu dem Teil davon, den der gute Monsieur Jaak uns wohl oder übel zugestehen mußte. Du willst vielleicht lieber alle sechs Monate nach Genf reisen und versuchen, es dort einzutreiben, aber ich finde, das ist zuviel der Mühe. Sollen doch die Medici durch ihre Genfer Leute das Geld aus Jaak de Fleury herauspressen.«
Felix riß die Augen auf. »Warum sollten die Medici das tun?«
Nicholas verstaute die Päckchen und winkte dem Wirt. »Weil das ihr Geschäft ist. Schulden eintreiben. Mit päpstlichen Erlassen verfahren sie genauso. Im übrigen schulden sie mir eine Gefälligkeit. Ich habe ihnen eine Geheimschrift entworfen, die kein Lebender entschlüsseln kann. Nicht einmal ich.«
Felix starrte ihn immer noch ungläubig an. »Heißt das, die Medici bezahlen dir das ganze Geld, das
Weitere Kostenlose Bücher