Niccolòs Aufstieg
gut, zu hören, daß er etwas von dem Leid würde erdulden müssen, das er mit so großer Kunstfertigkeit seinen Mitmenschen zufügte. Es hatte ihn zornig gemacht, dachte sie, daß Claes die Hand der Witwe gewonnen hatte. Aber der Zorn war wieder besänftigt worden durch das Vergnügen, es ihr berichten zu können. Er konnte doch wohl nicht wissen, wozu sie Claes benutzt hatte. Denn sie hatte ihn natürlich benutzt und sollte von einem Diener wie ihm nichts anderes erwarten, als daß er aus ihrem Bett in das der erstbesten Frau sprang, die ihm zum Bürgerstand verhelfen konnte, auch wenn sie eine alte Frau mit erwachsenen Kindern war.
Halbnackt hatte er die Witwe umarmt. Vielleicht hatte sie ihm auch das Bad eingelassen und seine Kleider vor ihm versteckt. Wie alt, wie häßlich sie auch war, er würde ihr seine Männlichkeit beweisen. Jedes Mädchen in Brügge wußte das. Mabelie. Sie selbst.
Und er hieß doch Claes. Er hatte nie Nicholas geheißen. Ihr Erstgeborenes hatte einen Claes zum Vater, den unehelich geborenen Knecht mit den schönen Worten und dem offenen, unschuldigen Blick, hinter dem sich Schlauheit und rücksichtsloser Ehrgeiz verbargen. Vielleicht von Ehrgeiz gezeichnet, aber bestimmt nicht von Versagen. Da irrte sich Jordan de Ribérac. Langsam, von einer Frau zur nächsten, von einem Mann zum nächsten, erklomm Claes die Leiter, die ihn vom Lehrling zum Kaufmann und von dort zu jedem Ziel führen würde, das er sich stecken konnte.
Er hatte Katelina nicht gebraucht. Ihr Name und Rang waren ohne Geld wertlos für ihn. Er brauchte das, was er schließlich bekommen hatte: die Eigentümerin eines kleinen Unternehmens, deren Stand, wie gering er auch sein mochte, nun seiner geworden war. Brandstiftung konnte ihn vielleicht aufhalten. Man würde noch auf andere Weise versuchen, ihn am Aufstieg zu hindern. Aber anders als der dicke de Ribérac konnte sie Claes von verschiedenen Seiten beurteilen. Die Neuigkeiten von seiner Heirat hatten das Bild nur vervollständigt. Nun kannte sie ihn. Nichts als der Tod würde ihn aufhalten. Er brauchte sie nicht und würde erst recht kein Interesse an dem Kind haben, das sie trug. Das Problem war gelöst.
Katelina van Borselen erledigte still ihre Aufgaben. Wer sie kannte und mochte, bemerkte, daß sie etwas in sich gekehrt war und mehr Zeit in ihrem Zimmer verbrachte als sonst. Von dort mußten sie sie oft holen, damit sie bei einer der nicht enden wollenden Diskussionen über die Mitgift der Herzoginwitwe übersetzte.
In Frankreich sollte ein Treffen stattfinden. Die schottischen Unterhändler hatten ihre Forderungen ausgearbeitet und wollten den Rechtsstreit, den der König mit seiner Schwester hatte, verhandeln. Natürlich war Sir William Monypenny dabei. Später würde Bischof Kennedy eintreffen. Vielleicht Flockhart. Und der schöne, blonde Mann, den die Herzoginwitwe angeblich favorisierte und der seit Katelinas Ankunft nicht mehr dagewesen war dem es aber gelingen würde, wieder Farbe auf Katelinas bleiche Wangen zu zaubern.
»Kommt, Katelina!« riefen ihre Freunde. »Kommt und sagt Simon von Kilmirren guten Tag!«
Es war die zweite Juniwoche. Überall in Europa wurden Streitkräfte und Truppen in Bewegung gesetzt und begaben sich auf den Weg in ihr Schicksal.
Ehe der Juni zu Ende war, erreichte Felix, Erbe des Charetty-Unternehmens, Neapel und stieß zu den Truppen seiner Mutter unter Hauptmann Astorre und dem Konsulenten Julius. Als persönlichen Diener hatte er einen kostbar gekleideten Mohren namens Loppe bei sich. Außerdem brachte er ein Geschenk des Herzogs von Mailand an den König mit: achtzehnhundert Reiter, die die päpstliche Armee verstärken und König Ferrante dabei behilflich sein sollten, seine Feinde aus dem Umland von Neapel zu vertreiben. Mit frischem Mut zog König Ferrante aus Neapel heraus und forderte den Feind zum Kampf.
Das war nicht sehr klug, aber er hatte Glück. Herzog Johann von Kalabrien legte eine ungewohnte Vorsicht an den Tag und weigerte sich zu kämpfen. Als man ihm trotzdem auf den Leib rückte, floh er mit seiner Streitmacht in die kleine Stadt Sarno, die auf einem flußumgürteten Hügel dreißig Meilen südlich von Neapel lag, und ließ sich belagern. Das Heer von König Ferrante mitsamt den Truppen des Papstes, des Herzogs von Mailand und den vielen Söldnerheeren, zu denen das von Hauptmann Astorre gehörte, machte sich daran, ihn und seine Truppen auszuhungern, wie es üblich war.
Damit hätten sie auch
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