Niccolòs Aufstieg
blaugoldenen Grund des päpstlichen Banners und über allen den Adler Federigos, des Grafen von Urbino und obersten Befehlshabers. Die Zelte des Feindes an der Hügelflanke lagen wie glühende Aschehäufchen da, und das Banner des Grafen Jacopo Piccinino war kaum noch zu erkennen.
Nicholas hatte sich eigentlich erst am nächsten Morgen zeigen wollen, aber er ritt zu nahe an das Lager heran und wurde angerufen. Sein Geleitschreiben hatte Gewicht. Man ließ ihn mit Reitknechten und Pferden unter Bewachung einreiten und brachte ihn wenig später zu dem pavillonähnlichen Zelt, das er suchte.
Tobias Beventini da Grado saß in Wams und Unterhosen da und hatte den einen Fuß in einem Eimer und den anderen hielt er mit zwei knochigen Händen hoch. Den kahlen, im Kerzenschein glänzenden Kopf gesenkt, betrachtete er ihn aufmerksam. Sein Mund unter den hübsch geschwungenen Nasenflügeln wirkte noch kleiner als sonst. Hinter ihm war ein Feldbett und auf einer Seite des Zelts ein Faktisch, auf dem neben seinem Arzneikasten und einem Stapel Papiere verschiedene Dosen und eine Schüssel standen. Es war niemand bei ihm.
»Im allgemeinen hat man fünf«, bemerkte Nicholas.
Tobias sah auf. Seine hellen Augen, ohnehin schon rund, blieben unverändert. »Wurde langsam Zeit. Außer du hast Hämorrhoiden.«
»Meine Leute haben welche«, sagte Nicholas hilfsbereit. »Wollt Ihr Euch darauf spezialisieren?«
»Ich bin schon der Arschexperte des Heiligen Römischen Reiches. Aber sie brauchen keinen Arzt, sie brauchen jemanden, der ihnen ein anderes Pferd erfindet. Du hast also meinen Rat befolgt und die Frau geheiratet.«
»Ich halte mich immer an Euren Rat. Ihr habt ja auch den meinen befolgt und den Grafen überredet, Lionetto zu bestechen. Hat ganz schön gekostet, ich habe bei seinem mailändischen Beauftragten Maffino nachgefragt. Astorre ärgert sich bestimmt grün. Er glaubt vermutlich, Ihr hättet die Hälfte von Lionettos Glasrubinen an Euch genommen. Darf ich reinkommen, oder läuft Euer Bein dann weg?«
Tobias ließ seinen Fuß los und stellte ihn vorsichtig neben den anderen in den Wassereimer. »Bist du allein?«
»Ja, bis auf zwei Burschen mit Hämorrhoiden.« Nicholas trat ins Zelt und ließ eine Satteltasche auf das Stroh neben der Pritsche fallen. »Ich habe Felix zu Astorre nach Neapel geschickt.«
Im Zelt war es zum Ersticken. Die Eimerbänder waren beschlagen. »Na, das war dumm«, sagte Tobias.
»Er kann nicht ewig ein Kind bleiben«, entgegnete Nicholas. »Es zog gerade eine große mailändische Truppe ab. Sie rechnen nicht mit Kämpfen.«
Aus dem Eimer stieg leises, beruhigendes Plätschern auf. »Bei euch hat es gebrannt«, bemerkte Tobias. »War das Brandstiftung?«
»Ich weiß, wer’s getan hat. Es hat mir gegolten. Solange ich hier bin, brauchen sie in Brügge nichts zu fürchten. Und jetzt, da wir das viele Geld haben, können sie das Unternehmen wieder auf die Beine bringen.«
Tobias’ kleiner Mund zog sich auseinander. Die Lider über den hellen runden Augen senkten sich. Er stemmte beide Hände auf den Hocker, hob die tropfenden Füße aus dem Eimer und ließ sie vorsichtig auf ein Handtuch hinunter. »Bitte, setz dich. Da auf mein Bett. Aber schlaf mir nicht ein, ehe du mir alles erzählt hast, Wie reich bin ich?«
Nicholas setzte sich sehr vorsichtig. Er fühlte sich nicht gerade glänzend nach einem rauhen Sechzig-Meilen-Ritt bei glühender Hitze. »Nicht so reich wie ich, aber die Ärsche habt Ihr dann hoffentlich hinter Euch, Was ist mit Euren Füßen? Ist das eine neue Kur bei Hämorrhoiden? Man trampelt auf den Patienten herum wie auf den Trauben nach der Lese?«
Tobias hob einen Fuß, um ihn zu trocknen. »Freut mich, daß du so guter Laune bist. Ich hoffe nur, ich bin so reich, wie ich es nach diesem Irrsinnsritt mit den beiden ständig betrunkenen Bergleuten von Zorzi kreuz und quer durch Latium verdiene. Caterino Zeno war also beeindruckt?«
»Alle waren beeindruckt«, versicherte Nicholas. »Wir teilen uns die Sonderbedingungen mit den Genuesern.«
Tobias’ kleiner Zeh verhedderte sich im Handtuch. » Was? « schrie er.
»Was glaubt Ihr denn, warum ich Euch auf Camulio angesetzt habe? Wir müssen mit den anderen Kaufleuten in Brügge Zusammenarbeiten. Wir brauchen Adorne. Wir brauchen die Adornes. Venedig und die Türken können sich jederzeit Überwerfen. Und wir können Freunde auf Chios gebrauchen, die darauf achten, was die Venezianer dort treiben.«
Der kahle Schädel
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