Niccolòs Aufstieg
Erfolg haben können. Es traf sich nur unglücklich, daß vor allem die Söldner König Ferrantes schon eine Zeitlang keinen Sold mehr bekommen hatten und der König zur Zeit auch nicht die geringste Ahnung hatte, wie er sie bezahlen sollte. Aus dem feindlichen Lager erreichten sie verlockende Angebote. Männer begannen zu desertieren.
So beschloß König Ferrante mit etwas Bedauern und einem guten Schuß bedenkenlosem Optimismus, einen Angriff zu wagen, statt den Belagerungszustand aufrechtzuerhalten. Er hatte nur eine begrenzte Attacke gewollt, sagte er hinterher. Aber seine gelangweilten und unbesoldeten Soldaten dachten anders darüber. Dies geschah in der ersten Juliwoche. Daß bei Sarno eine Entscheidungsschlacht geschlagen worden war, blieb eine Zeitlang unbekannt.
Zu diesem Zeitpunkt fanden überall Entscheidungsschlachten statt. Eine unblutige Schlacht trug sich in England zu, als die Anhänger Yorks unter dem Wappen der Weißen Rose und angeführt von Bischof Coppini und dem Earl of Warwick bei Calais übersetzten und im Triumph in London einzogen. Man mußte nur noch nach dem König aus dem Haus der Lancaster suchen (für den, wenn schon Rosen vergeben wurden, eine rote angemessen war) und nach seiner Königin, der Schwester des Herzogs Johann von Kalabrien.
Der Herzog von Mailand war sehr erfreut. Die Anhänger Yorks zollten dem Rat und der Führung von Bischof Coppini, päpstlicher Gesandter in England und Flandern und Geheimbotschafter des Herzogs von Mailand, die höchste Anerkennung. Bischof Coppini, der so hart für seinen Kardinalshut arbeitete, ging vor lauter Glück die sympathetische Tinte aus.
König Jakob von Schottland war schon länger zu dem Schluß gekommen, daß er sich im englischen Krieg beide Seiten warmhalten müsse, damit er bei dessen Ende auf jeden Fall einen Freund mit einer Rose hatte. Die englische Besetzung von zwei schottischen Städten war ihm schon lange ein Dorn im Auge gewesen: Berwick an der östlichen Grenze und Roxburgh an der südlichen. König Jakob und seine Berater hatten den Eindruck, daß jetzt, da die Engländer gerade so beschäftigt waren, ein guter Zeitpunkt gekommen sei, eine kleine, scharfe Attacke gegen die englische Garnison in Roxburgh zu riskieren.
König Jakob und der Artilleriemeister hatten eine ernsthafte Unterredung miteinander und einigten sich schließlich darauf, daß die beiden großen Kanonen aus Mons herausgeholt und für eine Reise vorbereitet wurden. König Jakob kam selbst noch, um sie anzusehen, die alte Meg und die neue Martha. Er streichelte sie. Niemand besaß solche Kanonen. Niemand außer dem türkischen Sultan. Wäre er nicht schon König von Schottland mit sechs dummen Schwestern gewesen, hätte er die Laufbahn eines gefeierten Meisterkanoniers eingeschlagen.
KAPITEL 35
Seinem einsamen Weg folgend, ritt Nicholas, früher Claes und niemals einsam, von Mailand in südöstlicher Richtung quer durch Italien nach Urbino und nahm von dort aus, den Spuren der Zerstörung folgend, dieselbe Route wie die beiden Heere. Wer in der sengenden hochsommerlichen Hitze durch den Kirchenstaat nach Süden reiste, stieß überall auf die Verwüstungen, die Graf Jacopo Piccinino und seine Truppen in ihrer Eile, Neapel zu erreichen und an seiner Vernichtung mitzuwirken, hinterlassen hatten.
Anfang Juli kam Nicholas an den Fluß Tronto und ritt über die Grenze des Kirchenstaats in die Abruzzen, jenes östlich gelegene Gebiet zwischen dem Apennin und der Küste, das zum Königreich Neapel gehörte. Die niedergebrannten Höfe und die in Schutt und Asche gelegten Burgen dieser Gegend waren das Werk der vereinten päpstlich-mailändischen Verfolgerheere unter Führung des Grafen von Urbino. Es war dieses Heer, das Nicholas schließlich einholte, mit dem er, da es haltgemacht hatte, beinahe zusammenstieß.
Südlich und parallel zum Tronto fließt der Fluß Tordino. Und in der Ebene am Ufer des Tordino hatten die Truppen Mailands und des Papstes ihr Lager aufgeschlagen. An den Hügeln gegenüber lagerte Piccininos Heer, das ebenfalls angehalten hatte.
Es war Abend geworden, als Nicholas endlich am Ziel war. Rechts von ihm war der Himmel über dem schwarzen Bergkamm noch vom Glanz der untergehenden Sonne gefärbt. Vor ihm lag lichterhell in vielfarbigen Seiden eine Zeltstadt unter einem Heer von Fahnen, deren Masten wie Lanzen in die Höhe standen. Er konnte die Schlange und den Adler von Alessandro und Bosio Sforza erkennen, Kreuz und Halbmond auf dem
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