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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Jordan. Frankreich war ja voll von diesen Schotten, meine Liebe, die kamen, in französischen Kriegen kämpften und dann blieben, um reich zu werden. Dankbare Könige gaben ihnen Lehen, so wie diesem Ribérac. Ein kluger Mann mit gutem Blick fürs Geschäft verschaffte sich bald Beziehungen, kaufte Flotten, erwarb Besitz. Und der Lohn? Das geneigte Ohr des Königs, meine Liebe, in allen finanziellen Angelegenheiten und ein paar der dunkleren kleinen Geheimnisse. Ihre derzeitige Majestät entsandte ihn oft in die Bretagne, um die Affären der Schwester seiner ersten Frau zu entwirren. Sie selbst, sagte Antoinette, ziehe allerdings weniger fettleibige Männer vor.
    Katelina mußte ihr beipflichten, wie es die meisten Leute taten. Als Agnes Sorel, die große Mätresse des französischen Königs, vor zehn Jahren gestorben war, hatte ihre Cousine Antoinette, Madame de Villequier, ihren Platz eingenommen; einige meinten, ehe sie Witwe wurde, andere meinten, hinterher. Als die Lust des Königs nachließ, suchte sie ihm jüngere Gefährtinnen. Und für diese sorgte sie immer noch, und sie war ebenso häufig an der Seite des Königs wie an der des Herzogs. Sie war klug, direkt und praktisch.
    »Das Fett ist es weniger«, sagte Katelina. »Traut man ihm?«
    In gespieltem Schmerz senkten sich die Lider über die strahlenden, geschminkten Augen. »Wie könnt Ihr das fragen, meine Liebe! Wenn es am Hof jemanden gibt, dem man trauen kann, ruhen wir erst, wenn wir das geändert haben. Nun, da er alle Fäden zur königlichen Münze in der Hand hält, hat unser lieber Jordan wohl alles Geld, das er begehrt. Aber da Ihr es ansprecht, laßt uns nachdenken. Was könnte ihn außerdem reizen?«
    »Dieselbe Stellung unter dem nächsten König?« fragte Katelina.
    Der Blick aus den geschminkten Augen schweifte. »Ah, erzählt es mir«, sagte Antoinette. »Ein Gerücht?«
    »Nein. Man hat ihn in Genappe gesehen. Er besitzt Informationen über den Schatzmeister des Dauphin, die er nur dort erhalten haben kann. Er hat mindestens einen Bogenschützen aus der schottischen Garde bei sich.«
    »Woher wißt Ihr das?« fragte Antoinette.
    »Er hat keine Gewalt über mich oder über meine Familie. Aber er versucht, mich zu einer Heirat zu überreden.«
    »Warum? Natürlich seid Ihr sehr schön. Aber er ist ein reicher Mann und kann unter den Frauen seines eigenen Landes wählen.«
    »Um seinen schottischen Sohn um das Erbe zu bringen«, erwiderte Katelina. »Er will weitere Erben, und wenn er sie erst hat, wird sein jetziger Sohn vielleicht nicht mehr lange leben.«
    »Und er hat eine flämische, eine burgundische Dame gewählt«, sagte Antoinette. »Welch ein Glück, daß er fett ist und Euch nicht reizt. Ein doppeltes Glück. Fette Männer fallen schnell auf, wenn der Klatsch seinen Lauf nimmt.«
    »Klatsch ist nicht meine Sache«, sagte Katelina.
    »Das merke ich schon. Aber Ihr wißt doch, meine Liebe, daß in Bourges, wo sich der König aufhält, die Mauern und die Burggräben aus Klatsch bestehen, daß es der Klatsch ist, der dort die Schießscharten besetzt hält. Klatsch, meine Liebe, an Stelle von Stein und Mörtel.«
    Zu dieser Zeit schrieb Katelina ihren Brief an Gelis, den diese an Claes weiterreichen sollte. Für einen oberflächlichen Leser ging es in jenem Schreiben vorwiegend um den erstaunlichen Schiffbruch eines Vogel Strauß. In den darauffolgenden Wochen kehrte Antoinette nicht zum Thema Jordan zurück. Und später, als Katelina wußte, daß sie schwanger war, unternahm sie nichts, um das Gerücht, das sie in Umlauf gebracht hatte, zu korrigieren oder rückgängig zu machen.
    Nach dem zu urteilen, was Claes ihr erzählt hatte, war an der Sache etwas dran. Antoinette würde es König Karl berichten. Und König Karl würde über eigene Mittel verfügen, die Treue seines Vicomte de Ribérac auf die Probe zu stellen. Wenn das Gerücht stimmte, wenn er der Mann des Dauphin und ein Verräter war, würde sie für die Behandlung, die er ihr hatte angedeihen lassen, großzügig gerächt werden. Ebenso für das, was er Claes angetan und ihm anzutun versucht hatte.
    Claes. Sie hatte ihn Nicholas nennen wollen, und er hatte ihr gezeigt, daß dieser Wunsch ihr nicht zur Ehre gereichte. Jetzt, da sie noch mehr Grund hatte, ihren Stolz aufzugeben, merkte sie, wie sehr ihr das widerstrebte. Sie rief sich ins Gedächtnis, wie Claes, der Mann, und Claes, der Liebhaber, war, er hatte kein Zeichen von Knechtschaft an sich, dafür um so mehr Freude.

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