Niccolòs Aufstieg
verbargen die sich bewegenden Zweige der kleinen Bäume die Lichter, die mit dem Schwinden des Tages in den anderen Häusern nach und nach angezündet wurden. Der Himmel leuchtete in blassen Marzipanfarben, ebenso das Wasser im Brunnenbecken und der schwache Schimmer der Fontäne. Durch den gerafften Voile über ihrem Schlüsselbein verspürte sie einen Stich, und dann noch einen an der Schläfe. »Mücken«, sagte sie. »Wir müssen ins Haus zurück.«
Sie waren neben der Bank angelangt. »Ich wollte gerade Eure Frage beantworten«, versetzte er. »Bin ich Euch keinen Mückenstich wert?«
»Nein«, entgegnete sie. »Sagt es mir ein andermal. Oder jagt sie fort. Da ist etwas Laub. Rauch würde helfen. Ederic?«
Nein, keineswegs außer Hörweite! Der Diener war sofort zur Stelle.
»Hol ein glühendes Scheit aus der Küche«, befahl Katelina. »Und wirf es in das Laub. Was wolltet Ihr sagen?«
Simon wartete, bis der Diener ohne große Eile davongegangen war, dann führte er sie zu der Bank, legte seinen Mantelrock ab und breitete ihn für sie aus. »Ich wollte sagen, daß ich wie alle anderen von der St. Salvator, dem Schiff des ehrwürdigen Bischofs, nach Brügge gekommen bin, um einen Teil der Fracht zu verkaufen und den Erlös gewinnbringend anzulegen, Waren einzukaufen und Aufträge zu erteilen, vor allem aber, um die Ankunft der Flandern-Galeeren mitzuerleben. Das alles hättet Ihr mich auch an Bord fragen können.«
Die Bäume hatten sich verdunkelt. Ein Lichtschein, der näher kommend heller wurde, zeigte ihnen Ederics Rückkehr an.
»Tja, warum habe ich das nicht getan?« sagte sie und setzte sich.
»Weil Ihr Angst hattet, etwas anderes zu hören«, meinte er. »Alles hat seine Zeit.«
»Und jetzt ist die Zeit da?« fragte sie.
Ederic war stehengeblieben und warf das glühende Holzscheit auf den Haufen feuchten Laubs. Die Blätter zischten, es rauchte ein wenig, die ersten Nachtfalter wurden lebendig. Simon wollte sich setzen.
»Wenn Ihr stehen bleibt«, sagte Katelina, »könnt Ihr Euch um das Feuer kümmern, während Ederic das Scheit in die Küche zurückbringt. Denn ganz gewiß ist jetzt nicht die Zeit, das Haus meines Vaters niederzubrennen.«
Blauer Rauch stieg vom Feuer auf. Ederic sah seine Herrin an und ging. Oder verschwand zumindest außer Sicht. Simon kniete beim Feuer nieder, ohne auf die Flecken zu achten, die seine Hose bekam, und neigte sich darüber, um es durch Blasen anzufachen. »Wenn Ihr Zusehen wollt, wie ich langsam schwarz werde«, sagte er, »so habe ich nichts dagegen einzuwenden. Was Eure Frage angeht, so ist die Kunst der Zeitmessung eine flämische Spezialität. Wenn die Stunde gekommen ist, vermute ich, wird ein Flame es mir sagen.«
»Ihr scheint schon sehr lange auf das Wort zu warten. Wer weiß, vielleicht werdet Ihr noch einmal so lange warten müssen. - Au!«
»Ich fürchte, wenn Ihr dort drüben Platz nehmt, werden sie Euch weiter stechen. Setzt Euch lieber auf diese Seite des Feuers, wo der Rauch an Euch vorüberzieht. Warum habt Ihr seiner Lordschaft einen Korb gegeben? Er war sehr vermögend und wäre schnell gestorben.«
»Meint Ihr?« Katelina überlegte einen Moment, dann stand sie auf, nahm seinen Mantelrock mit und breitete ihn am Feuer aus, um sich darauf niederzusetzen. Er hatte recht, der Rauch reichte aus, um die Mücken zu vertreiben, doch er zog in seine Richtung, nicht in ihre. Rußflecken hatten sich schon auf seiner hellen Haut abgelagert und veränderten die klassischen Konturen seiner Gesichtszüge. Seine Augen blitzten.
»Aber ganz sicher, Demoiselle. Mit Euch als seiner Ehefrau hätte er nicht lange gelebt! Ich habe mir allerdings sagen lassen, er schmeichle sich, ein guter Liebhaber zu sein. Ihr hattet keine Gelegenheit, das zu überprüfen?«
Er mußte wissen, daß Ederic lauschte. »Ich kann mich wirklich nicht erinnern. Mich langweilt dieses Gebalze«, entgegnete sie.
Er hatte seinen Hut abgenommen. Haar und Auge glänzten im Feuerschein. Der Himmel war fahl, der Garten dunkel. Er senkte den Kopf und beobachtete das sprunghafte Flackern des Feuers. »Schaut«, sagte er. »So feucht und so kümmerlich. Aber eine Berührung genügt«, er beugte sich vor und blies in die Flammen, »mit Gefühl natürlich - und es entsteht Wärme. Licht. Wohlbehagen.«
Katelina, schwarz von der Stirn bis zum Busen, sah ihn an. Und mußte dann den Kopf drehen, weil er schnell aufgestanden war und sich neben sie gesetzt hatte.
»Und es kommt vor«, sagte
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