Niccolòs Aufstieg
er, »daß einem die richtige Berührung gar nicht behagt. Aber wie soll ich herausfinden, ob mein Bemühen Euch langweilt, wenn wir uns die Schwärze nicht teilen?
Meine schwarzen Hände hier und hier, und meine schwarzen Lippen, wo Ihr sie wünscht. Katelina?«
Sein Atem hatte einen parfümierten Geruch. Die Seide auf seinen Armen und seinem Körper war warm. Seine Lippen, als sie ihren Mund fanden, schmeckten nach Holzasche.
Seine schwarzen Lippen lagen auf den ihren, seine rosa Zunge glitt in ihren Mund. Sie war verwirrt. Ihr Kinn, als sie zurückfuhr, war feucht und klebrig. Sie wischte es mit zitternden Fingern ab.
»Heilige Mutter Gottes«, sagte sie. »Man hat mir schon erzählt, Ihr hättet das Benehmen eines Flegels und die Talente eines Mädchens. Sehr zum Kummer Eures Vaters übrigens. Jetzt glaube ich es.«
Eine Hand verharrte wie gefangen auf ihrer Brust. Die andere lag schlaff an ihrem Hals. Er war völlig reglos. »Man?« sagte er. »Euer Vater?«
Sie konnte über ihren Vater keine Lügen erzählen. Sie drehte die Schultern, und seine Hände fielen von ihr ab. Jetzt war Abstand zwischen ihnen. Auf seinem rußbefleckten Gesicht spielte der Feuerschein, während er sie gespannt beobachtete. Mücken und Falter loderten auf, starben und fielen ihnen zu Füßen.
»Hat Euch das noch nie jemand gesagt?« fragte sie.
»Wer?« entgegnete er. »Wer hat das gesagt?«
»Niemand, den Ihr fürchten müßtet«, antwortete sie. »Aber ich habe es gehört. Und es ist wahr.« Ohne seine Nähe war ihr bald heiß, bald kalt, und sie fröstelte.
Sehr langsam stand Simon von Kilmirren auf. Die Rußflecken in seinem Gesicht hatten nichts Komisches. »Euer Vater ist anderer Meinung«, sagte er. »Kann es sein, daß ich anfange zu begreifen, warum Ihr die Hand seiner Lordschaft ausgeschlagen habt und mit neunzehn noch unverheiratet seid? Seid Ihr mißgebildet?«
Sie stand ebenfalls auf. »Ja«, antwortete sie, »wenn es bedeutet, daß ich plumpe Annäherungsversuche nicht mag.«
»Ihr habt mich hierher eingeladen. Aber ich verstehe. Ihr wünscht Euch also nichts als das Kloster?« Die Wut in seiner Stimme war so gezügelt, daß sie sich kaum Gehör verschaffen konnte. Und die Stimme selbst leise genug um dem Lauscher zu entgehen.
»Ich wünsche nichts als einen Mann von Charakter«, sagte Katelina laut.
Und sah sich, nicht weiter verwunderlich, gleich darauf allein im Garten.
KAPITEL 4
Aufgescheucht hasteten die Diener des edlen Simon aus der gemütlichen Küche der van Borselens, fuhren in ihr Wams, banden den Hund los und standen schließlich mit Fackeln in Händen da, als ihr Herr, ohne sich von seinem Gastgeber verabschiedet zu haben, mit forschem Schritt dem Marktplatz und der Kranbrücke zustrebte, hinter der seine Unterkunft lag. Der Jagdhund, den er gar nicht beachtete, sprang bellend an ihm hoch, erregt durch sein rußverschmiertes Gesicht, sein geschwärztes Hemd und seinen offenkundigen Mißmut. Vorsichtig folgten seine Diener ihm.
Die Sperrstunde begann um neun, und alle, die jetzt noch unterwegs waren, eilten nach Hause. Danach spendeten nur noch die Laternen an den Haustüren der Reichen oder auf vorübergleitenden Booten Licht, und hier und dort drang ein schwacher Schimmer aus Heiligennischen.
Das Nachtleben in Brügge nach neun Uhr spielte sich bei schwacher Beleuchtung oder im Dunkeln ab. Schenken, Badehäuser und gewisse Etablissements, die trotz der Rundgänge von Bürgermeister van de Courpse und seiner Leute nicht um neun Uhr schlossen, waren sorgsam darauf bedacht, keinen Lichtschein nach draußen dringen zu lassen.
Weder jene Wachtposten, die die Nacht hindurch am Fuß des Belfrieds auf und ab patrouillierten, noch jene, die, mit Glocke und Horn ausgerüstet, oben auf dem Turm wachsam Ausschau hielten, hatten Laternen. Die neun nun verschlossenen Tore sowie der fünf Meilen lange Schutzwall waren nicht beleuchtet, denn Brügge befand sich nicht im Krieg. Nur wer vor den Stadttoren stand, sah vielleicht hier und dort die Wolken über einem Stadthaus, einem Innenhof oder einem Kloster von Licht erhellt. Und in der Stadt war an dem durch die Ritzen der Fensterläden oder der Falltüren zu den Kellern sickernden Licht zu erkennen, wer noch seinen Geschäften nachging.
Später durchwühlten Tiere raschelnd den Abfall, den am Morgen die Straßenkehrer säuberlich zusammenfegten. Langsam trieben die Schlammkähne vom Kanal zum Fluß und fischten den Tagestribut an aufgedunsenen Haustieren
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