Niccolòs Aufstieg
möglich war, wieder zusammengeflickt hatte. Er war wie Julius braungebrannt von der italienischen Sonne und beeindruckt von dem Haus in der Spanjaardstraat und von Gregorio, die er beide nicht kannte. Amüsiert sah Julius zu, wie die beiden, Tobias und Gregorio, einander mit Blicken maßen. Er hielt es für möglich, daß sie einander gewachsen waren.
Da Nicholas außer Haus war, sprach Tobias mit Marian de Charetty allein über Astorre und das Winterquartier seiner Truppe, die Abwicklung des Vertrags und, vermutlich, über seinen Anteil an dem von Nicholas eingefädelten Alaungeschäft. Tobias hatte von allen das geringste Interesse an Marians Heirat gezeigt, wohl weil er sie kaum kannte. Sie waren einander ja nur einmal kurz begegnet, als er sich zehn Monate zuvor, statt bei Lionetto zu bleiben, um Aufnahme in Astorres Truppe beworben hatte.
Er ging allem Anschein nach unbeschadet aus dem Gespräch hervor und betrat das Kontor mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er allen Grund anzunehmen, er gehöre hierher. Die Schreiber waren gerade nicht da, aber der Raum wirkte auch so noch geschäftsmäßig genug mit Tischen und Schränken voll mehr oder weniger geordneter Papierstapel. Tobias sah sich um und nickte Julius und Gregorio zu. »Wo ist denn der junge Herr?«
Julius runzelte die Stirn. Gregorio sagte mit volltönender Stimme: »Der junge Herr des Hauses ist tot, falls Ihr das nicht wissen solltet. Nicholas wird bald zurück sein. Er nimmt derzeit, wenn auch ungern, am Begräbnis eines Großonkels teil.«
Tobias streifte die schwarze Kappe ab und fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel. »Ich hätte fast selbst begraben werden müssen. Deshalb hatte ich es auch nicht gerade eilig, hierher zu kommen. Mein ehemaliger Hauptmann hat mich unterwegs eingeholt und behauptet, ich hätte ihn absichtlich zugrunde gerichtet. Aber als wir uns trennten, war er auf der Jagd nach Jaak de Fleury.«
»Er hat ihn schon gefaßt«, sagte Gregorio trocken. »Falls Euer ehemaliger Hauptmann Lionetto ist.«
Tobias sah Gregorio an. »Dann ist der Großonkel, der gerade begraben wird, Jaak de Fleury?«
Gregorio nickte. »Ein Opfer Lionettos. Der noch am selben Tag in aller Eile wieder aufbrach. Er wird seinen Seitenwechsel bedauern. Wäre er bei Piccinino geblieben, wäre es zu alldem nie gekommen.«
»Lassen wir Lionetto«, sagte Julius. »Haben wir eine neue condotta ?«
Tobias wandte den Blick ab. »O ja. Jedenfalls haben wir ein Angebot. Astorre ist im Moment der allgemeine Liebling, weil er sich und seine Leute sicher aus Neapel gerettet hat und ohne Säumen Urbino zu Hilfe geeilt ist. Der Feldzug gegen Piccinino ist für dieses Jahr vorüber. Urbino hat ebenfalls einen neuen Vertrag und wird mit seinem Heer in Magliano, nördlich von Rom, überwintern, damit er und Alessandro über Weihnachten den Papst besuchen können. Astorre begleitet ihn, bis er von uns hört, was wir… was die Demoiselle mit ihm vorhat.«
»Wenn Ihr Nicholas meint, warum sagt Ihr’s nicht?« fragte Julius gerade, als Nicholas eintrat. Aber der schien die Bemerkung nicht gehört zu haben. Seine Aufmerksamkeit war auf Tobias gerichtet, Er grüßte Tobias erwiderte den Gruß. In seinen runden, hellen Augen war ein stechender schwarzer Punkt, wie vielleicht ein Wiesel ihn sieht, kurz bevor der Hühnerhabicht es packt. »Was höre ich da über Jaak de Fleury?«
»Er ist tot«, sagte Nicholas. »Was höre ich da über Astorre und einen neuen Vertrag?«
Er bekam Antwort, drang aber dann nicht weiter in Tobias ihm Geschäftliches zu berichten. Es gab viel interessantere Dinge zu besprechen. Er selbst beschränkte sich, wie so oft dieser Tage, aufs Zuhören und sagte nicht viel. Julius jedoch, in Neuigkeiten und Gerüchten schwelgend, klatschte sogar über die Mittagszeit mit den beiden anderen weiter und ließ eine Pause nur zu, wenn Besuch kam. Es sprachen immer wieder Leute vor, die Felix’ Mutter ihr Mitgefühl aussprechen wollten. Und wenn sie bei ihr gewesen waren, machten sie jedesmal die Tür zum Kontor auf, um noch ein paar Worte mit Felix’ Freunden zu sprechen.
Sersanders und John Bonkle waren schon dagewesen, Colard Mansion (der nach Gottschalk gefragt hatte) und sogar Tommaso Portinari, der eigentlich nicht zu Felix’ Kreis gehört hatte, es aber offenbar zu seinem eigenen Unwillen für nötig hielt, sich mit Nicholas gut zu stellen. Er hatte ihn eingehend nach dem Kampf und der Schlacht bei San Fabiano ausgefragt, und
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