Niccolòs Aufstieg
nicht sagen, aber vielleicht werden wir jetzt, da wir all die zusätzlichen Waffen und das Geld für die Ausrüstungen haben, noch zwei Schwadronen für Astorre anwerben. Euch wird man wahrscheinlich den Posten als sein Feldarzt wieder antragen. Die Färberei wird auch in Zukunft die Demoiselle leiten, um das Kreditgeschäft und den Grundbesitz, wie zum Beispiel Felix’ Weinschenke, werden sich Gregorio und ich kümmern, die Geschäfte vielleicht weiter ausbauen.«
»Und Nicholas?« fragte Tobias.
»Der Kurierdienst ist auch noch da«, sagte Julius. »Und er hat sich gut eingeführt, mit guter Besetzung. Nicholas wird ihn von Brügge aus leiten, aber hin und wieder selbst reisen, um die direkte Verbindung zur Mailänder Seite zu halten. Er rechnet sicher damit, daß Ihr auch da von Nutzen sein könnt, wenn Ihr in Zukunft bei Astorre in Italien seid.«
Er schwieg und sah Gregorio an, aber der schien nichts weiter zu dem Thema sagen zu wollen. »Und sonst hat er nichts gesagt?« fragte Tobias. »Nichts von Schiffen, von Niederlassungen in anderen Ländern, von der Möglichkeit, in den Seidenhandel zu gehen?«
»Von Schiffen?« rief Julius.
»Nein, nichts«, sagte Gregorio. »Keinen Ton. Aber es hat natürlich in den letzten Tagen viel zu prüfen und zu richten gegeben. Wie Julius schon sagte, bisher ist mit den Planungen noch gar nicht begonnen worden. Die Demoiselle wollte damit wahrscheinlich warten, bis Ihr zurück seid. Ich hatte jedenfalls den Eindruck …« Er zögerte.
»Was?« fragte Tobias.
»Daß Nicholas auf etwas wartet«, erklärte Gregorio.
»Und Ihr seid nicht besorgt?«
»Worüber?« fragte Julius.
»Über die Zukunft des Unternehmens natürlich.« Tobias riß kleine Happen aus seinem Fasan heraus und schob sie mit einer Hand alle säuberlich in den Mund. »Dem Namen nach war Felix das Oberhaupt. Er ist tot. Rein rechtlich ist die Demoiselle das Oberhaupt. Sie ist eine tüchtige Frau, aber Geschäfte dieses Umfangs übersteigen ihre Fähigkeiten. Wer führt das Unternehmen bis zu dem Tag, an dem ihre Töchter heiraten?«
»Ich dachte, das wäre klar«, sagte Gregorio. »Dieselben Leute, die gemeinsam das Alaun-Unternehmen betreiben. Wir drei zusammen mit Nicholas. Nur daß Nicholas als Ehemann der Demoiselle da natürlich in der stärksten Position ist.«
»Aber ohne uns wäre er auf verlorenem Posten«, sagte Julius.
»Glaubt Ihr?« entgegnete Tobias. »Ich habe mir mal alles, was ich bisher von Freund Nicholas gesehen habe, durch den Kopf gehen lassen. Ich habe heute die Demoiselle übers Geschäft reden hören. Ich glaube nicht, daß Nicholas uns für irgendwelche wesentlichen Aufgaben braucht. Er braucht uns als Handlanger, das ist alles. Ob’s uns paßt oder nicht, Nicholas ist Herr im Haus Charetty. Und wie findet Ihr das nun? Ist er der Mensch, unter dem Ihr gern arbeiten würdet?«
Das war genau die Frage, die Julius umtrieb. »Ich weiß, was Ihr meint«, sagte er bedächtig. »Er ist jung.«
»Er ist knapp zwanzig«, sagte Tobias. »Das heißt, er ist zehn Jahre jünger als der älteste von uns. Und das wiederum heißt, daß er bei aller Begabung keine Erfahrung hat.«
»Die können wir liefern«, meinte Gregorio, der Tobias scharf beobachtete.
»Und er wird sie annehmen«, sagte Tobias. »Er ist immer bereit, sich raten zu lassen. Und er versteht sich auf den Umgang mit Menschen. Alle, die ihn jemals geprügelt haben, mögen ihn inzwischen, weil er freundlich ist, ruhig, langmütig und vor allem nicht nachtragend. Das macht ihn zu einem angenehmen Arbeitsgenossen. Für mich jedenfalls. Aber so langsam frage ich mich, was es mit dieser unterwürfigen Haltung bei ihm auf sich hat. Ist sie echt?«
Julius lachte. »Habt Ihr schon mal erlebt, wie Nicholas eine Tracht Prügel hinnimmt? Sie ist echt.«
»Oh, ja, im Moment nimmt er sie hin«, sagte Tobias. »Aber was wäre, wenn er die Kränkung nicht so schnell vergißt, wie Ihr glaubt? Was wäre, wenn er jede Mißachtung und jede Strafe stillschweigend im Gedächtnis bewahrt, weil er in Wirklichkeit ein ganz anderer Mensch ist?«
»Nun, darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht«, sagte Gregorio.
»Eben«, sagte Tobias. »Ist er der, der er zu sein vorgibt? Als ich einmal angefangen hatte zu fragen, ist mir verschiedenes aufgefallen. Vor allem dies: Wen Freund Nicholas nicht mag, den bringt er um. So scheint es jedenfalls.«
Julius hörte auf zu essen.
»Ja, darüber sollten wir reden«, sagte Gregorio.
Mit dem
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