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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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dieses letzte Zusammentreffen in Gent hätte neugierig machen können, war tot.
    Letzter Anlaß, sich an Marian zu wenden, war für Tobias die Nachricht vom Tod des schottischen Königs gewesen. Marian hielt inne wie schon mehrmals im Lauf des langen Berichts, aber er sagte noch immer nichts dazu. Mit fester Stimme sprach sie weiter. »Bis dahin hatten sie nämlich gemeint, was auch immer du getan hättest, brauche niemanden weiter zu kümmern. Sie glaubten, es wäre vorbei. Sie dachten nur an die Zukunft. Aber dann kam ihnen die Geschichte mit der Kanone ins Gedächtnis.«
    Zum ersten Mal ergriff Nicholas das Wort. »Ich wollte überhaupt nicht auf dem Leichter sein. Es war reiner Zufall, daß wir gebeten wurden, bei der Beförderung des Badebassins für den Herzog zu helfen, und daß Julius und … daß Julius zusagte.« Er schwieg einen Moment. »Wäre ich nicht mitgefahren, wäre ich keinem von ihnen je begegnet.«
    Eigentlich sprach er mit sich selbst, nicht mit ihr. »Ich nehme an«, sagte sie nach einer kleinen Pause, »du wußtest, daß das Wasser der Kanone nichts anhaben würde. Aber andere könnten behaupten, du hättest es nicht gewußt, sondern gehofft, daß genau das geschehen möge, was geschah. Tobias ist sich nicht ganz sicher, glaube ich. Aber im Gespräch mit ihm ist Julius und Gregorio etwas aufgefallen, das viel wahrscheinlicher ist. Durch das Versenken der Kanone hast du ihre Ankunft in Schottland verzögert. Und wenn das Absicht war, wenn du den Auftrag hattest, dann hast du an Dingen mitgewirkt, die nicht unter uns bleiben können.«
    Sie hielt inne. »Du warst noch ein halber Junge, als es passiert ist. Keiner hat sich etwas dabei gedacht. Aber auch ein dummer Streich bekommt etwas Zwielichtiges, wenn später andere Verbindungen gezogen werden. Schottland stand auf der Seite des Hauses Lancaster, und daß die Kanone nicht kam, war für den Gegner von Vorteil. Der Dauphin, der Herzog von Mailand, Bischof Coppini, König Ferrante in Neapel, Arnolfini und der englische Gouverneur - sie alle sind gegen den französischen König und die Anhänger Lancasters, und du hast auf diese oder jene Weise mit allen zu tun gehabt. Wenn so etwas den Leuten erst einmal auffällt, werden sie glauben, daß du nicht nur für die Kaufleute Spitzeldienste leistest, sondern auch mit politischen Geheimnissen handelst.«
    »Ribérac war auf der Seite des Dauphin«, sagte Nicholas.
    »Aber du hattest allen Grund, ihn bestrafen zu wollen. Und wenn sich erst einmal herumspricht, daß du nicht der bist, für den du dich ausgibst, daß man dir nicht trauen kann, sprießen bald die wildesten Geschichten. Über die Entlassung altgedienter Leute und die Einstellung neuer, einzig nach deinem Ermessen. Über … deine Heirat. Darüber, wie du Felix ständig in irgendwelche Dummheiten verwickelt und von allem verantwortungsvollen Tun ferngehalten hast… und über seinen Tod.«
    Die Stimme versagte ihr. Er schaute nicht auf. Er wollte sie nicht weinen sehen. »Ich wollte, ich wäre Felix. Das habe ich ihm in Mailand einmal gesagt.« Die Ellbogen immer noch auf die Knie gestützt, rieb er sich das Gesicht, als wollte er eine Wundersalbe gegen den Schmerz einmassieren. Dann hielt er inne, die Nase zwischen den Händen, die Finger über den geschlossenen Augen gespreizt. »Und was glaubt Tobias nun?« fragte er nach einer Weile.
    Diesmal blieb es so lange still, daß er schließlich die Augen öffnete und sie doch ansah. Sie hatte geweint, aber nur wenig. Sie hatte auf ihn gewartet.
    »Er sagt, sie hätten den ganzen Tag darüber geredet, sich aber nicht entscheiden können, ohne meine Meinung gehört zu haben.«
    »Und welcher Meinung bist du?« Diesmal konnte er nichts in ihren Augen lesen.
    »Im Gegensatz zu Tobias weiß ich von der Geschichte mit de Ribérac. Ich weiß einiges, Nicholas, wovon er keine Ahnung hat. Und ich weiß auch, wie du wirklich zu uns stehst. Zu Julius. Zu Felix. Und zu mir.«
    »Und?« Er fröstelte.
    »Und habe ihm nur das bestätigt, was er meiner Meinung nach im Grunde genommen selbst glaubt. Ich habe ihm gesagt, daß du der treueste, zuverlässigste Freund bist, den er wahrscheinlich je haben wird. Daß fast alles, was du getan hast, für das Unternehmen geschah und nicht aus persönlicher Berechnung. Daß dir Felix wichtiger war als alles andere und mein Sohn ohne dich immer Kind geblieben wäre. Aber ich habe ihm auch gesagt, daß man dich Tag und Nacht im Auge behalten muß, weil du Gaben besitzt,

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