Niccolòs Aufstieg
die gefährlicher sind als Meg oder Martha oder andere Kriegswaffen. Und daß du sie noch nicht zu beherrschen weißt.«
Die Brust war ihm so eng, daß er nicht sprechen konnte.
»Das alles habe ich ihm gesagt«, fuhr sie fort, »und da er nun so viel wußte, fand ich, er verdiene es, alles zu wissen. Deshalb habe ich ihm gesagt, wer du bist.«
»Sie haben die Nacht getrennt verbracht«, sagte Julius.
»Ach?« Von Tobias, der auf einem Kontorhocker kniend aus dem Fenster hing, war nur das von seinem schwarzen Gewand bedeckte Hinterteil zu sehen.
»Warum erzählt Ihr uns nicht, wie es war?« drängte Julius. »Nun macht schon. Ihr habt mit der Demoiselle gesprochen. Wie hat sie es aufgenommen?«
»Das habe ich Euch doch gesagt!« Tobias war ärgerlich. »Sie wollte erst mit Nicholas sprechen und nach dem Gottesdienst mit mir. Dann kann ich Euch mehr sagen.«
»Aber wenn sie die Nacht getrennt verbracht haben …«
»Das kann alle möglichen Gründe haben«, warf Gregorio ein. »Am besten warten wir, bis Tobias uns Auskunft geben kann. Wenn er etwas wüßte, würde er jetzt kaum aus dem Fenster hängen, um zu sehen, ob sie zusammen zur Kirche gehen.«
Tobias’ Hinterteil verriet nichts. Dann zuckte es einmal. »Sie gehen los!«
Julius rannte zum anderen Fenster und stieß einen Laden auf. Unten stand eine kleine Dienerschar in der Charetty-Tracht, mittendrin Loppe, der alle anderen um mehr als Haupteslänge überragte. Sein Gesicht war ausdruckslos, und Julius wußte mittlerweile, daß das nichts Gutes verhieß. Marian de Charetty, in weißem Kopfputz und dunklem Umhang, saß schon im Sattel ihres Pferds. Nicholas trat in diesem Moment aus dem Haus und steuerte auf das seine zu.
Abrupt trat Julius vom Fenster zurück. Ebenso Tobias, der jetzt sagte: »So lustig ist das gar nicht, wenn man sieht, was dabei herauskommt, nicht wahr?«
Nun trat Gregorio zum Fenster und schaute hinaus. »Sie müssen gehen, ob sie wollen oder nicht, schon um vor ihren Freunden den Schein zu wahren.«
»Nicht nur vor ihren Freunden«, sagte Julius. »Unter den schottischen Trauergästen ist Simon von Kilmirren.«
Tobias nahm seinen Hut ab. »Woher wißt Ihr das?«
Julius schnitt ein Gesicht. »Weil ich mir die richtigen Kunden suche. Liddell. Sekretär von Bischof Kennedy und Hauslehrer des kleinen schottischen Prinzen. Sie sind alle im Haus von de Veere abgestiegen, und dort war ich gestern wegen einer Unterschrift. Liddell hat mir erzählt, daß Simon eigens zur Messe hergekommen ist. Mit seiner Ehefrau.«
»Ich erinnere mich«, sagte Gregorio. »Das war zur Zeit des Turniers der Gesellschaft Weißer Bär. Lord Simon war in Begleitung der Schwester von Reid, einem der Staple-Kaufleute. Hieß sie nicht Muriella?«
»Und heißt zweifellos immer noch so«, sagte Julius. »Aber das ist nicht die Frau, die er geheiratet hat. Er ist seit fast vier Monaten mit Katelina van Borselen verheiratet. Ich habe sie gesehen. Hochschwanger.«
»Hochschwanger?« fragte Tobias.
»Ganz recht. Ich schätze, Simon ist dem Priester mindestens vier Wochen zuvorgekommen«, sagte Julius amüsiert. »Liddell erzählt, er sei hoch erfreut. Wir wissen ja alle, daß er seit Jahren versucht, Kinder in die Welt zu setzen. Wie hieß das Mädchen noch mal?«
»Muriella«, sagte Gregorio trocken.
»Nein«, widersprach Tobias. »Er denkt an die andere, Mabelie. Du lieber Gott! Nicholas. Weiß er, daß Simon verheiratet ist?«
»Nein.« Julius war mit einem Schlag ernüchtert. »Ich hätte ihn wohl warnen müssen?«
»O ja«, stimmte Tobias grimmig zu.
Simon von Kilmirren war dieser Tage in der Tat ein glücklicher Mann. Ohne einen Hauch von Ungeduld wartete er auf seine Frau, die sich von ihren Dienerinnen zum Kirchgang ankleiden ließ. Er bedauerte es beinahe, daß die Schleppe ihres Kleides so lang war. Wenn sie den Stoff raffte und gebauscht an die Brust gedrückt hielt, wie es Mode war, verbarg er die pralle Rundung ihres Leibes.
In dem sie sein Kind trug. Den Erben von Kilmirren, nun, da sein Vater zweifellos endgültig zugrunde gerichtet und sein Onkel, der elende Geizhals, endlich tot war. Kilmirren war sein, der Titel würde bald folgen und zu gegebener Zeit auf das Kind übergehen.
Katelina reagierte empfindlich auf Bemerkungen über die Größe des Kindes. Simon machten sie nichts aus. Nach ihrer jungfräulichen Ziererei damals im Haus ihrer Eltern hatte ihn der warme Empfang, der ihm in der Bretagne bereitet worden war, zunächst
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