Niccolòs Aufstieg
von ihrem gemeinsamen Gewicht flachgedrückt wurden und vor dem Morgen aufgeschüttelt werden mußten. Und natürlich das Bett mit einem Himmel, der bis zu den Deckenbalken reichte, und mit Vorhängen und Decken, die Marian vor ihrer Hochzeit mit Cornelis gestickt und die sie aus Feingefühl nicht ausgetauscht hatte. So wie es damals eine Ehe gewesen war, so war es heute eine Ehe. Das Bett bot Platz für jedes Ritual.
Sie saß am Fenster und war ebenfalls völlig angekleidet. Darum brachte er das Thema gleich selbst zur Sprache. »Ich habe eben die Geschichte mit der Kanone gehört.«
Sie hatte die Haube abgenommen, die sie tagsüber trug, und das Haar locker aufgerollt im Nacken hochgesteckt. Sie kleidete sich jetzt heller und eleganter als früher, Gold blitzte in den Brokatärmeln ihres Kleides, und um ihren Hals lag eine lange Perlenschnur. Sie stand auf und kam ihm einen Schritt entgegen. »Ja, das wollte ich dir erzählen. Wo hast du es gehört? Bei Adorne?«
Sie sagte nicht wie zuvor Adorne, die Versenkung der Kanone in Damme habe mit der Sache nichts zu tun gehabt.
Er schloß die Tür, während er darüber nachdachte. »Ja. Und auch von Kilmirrens Tod«, sagte er dann.
Sie nickte. Die Hände lose zusammengeschoben, stand sie vor dem kleinen Tisch und sah ihn an. Sie hatte ein offenes Gesicht, die Haut war makellos und die Augen, in denen er mittlerweile recht gut zu lesen verstand, waren von einem ungewöhnlich strahlenden Blau.
»Was ist passiert?« fragte er.
Selten stand sie so ganz still wie jetzt. Ihr Gesicht war ein wenig angespannt. »Ich habe noch etwas gehört. Der Vicomte de Ribérac soll am Ende sein. Ganz Frankreich spricht darüber.«
Jordan de Ribérac. Ein Schmerz durchzuckte seine Wange, wie frisch verletzt vom Ring des Mannes. Er räusperte sich und wiederholte: »Was ist passiert?«
»Es wurden offenbar heimliche Verbindungen zum Dauphin aufgedeckt. Der König war außer sich. Ribérac hat natürlich alles verloren, Grundbesitz, Häuser, Geld, seine gesamte Habe.«
»Und was wird jetzt aus ihm?«
»Ich vermute, man wird ihn in Loches einkerkern. Vielleicht sperren sie ihn auch in den Käfig. Oder köpfen ihn gleich. Hast du auch das eingefädelt?«
Wie dumm war es doch, nur dazustehen und sie anzustarren. »Vermutlich, ja.« Mit großer Anstrengung sagte er dann: »Marian, was ist passiert!«
»Du hast einige sehr kluge neue Leute für das Unternehmen ausgewählt. Doktor Tobias war bei mir. Er, Julius und Gregorio machen sich Gedanken über die Zukunft des Geschäfts und sind mit ihren Sorgen zu mir gekommen, um meine Meinung zu hören.«
»Tobias«, murmelte er.
»Ja. Und Gregorio. Und unser guter Julius. Ich dachte, du magst sie gern und sie dich auch. Aber jetzt haben sie Angst vor dir.«
Er seufzte schwer, und zurück blieb ein Schmerz wie nach einem Schlag. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Du kannst mich fragen, was du willst, ich sage es dir. Möchtest du dich nicht setzen? Auf die Bank vielleicht. Ich setze mich hierhin. Aber laß mich dir vorher einen Becher Wein einschenken, ja?«
Sie nickte und setzte sich. Der Wein im Becher, den er ihr reichte, bewegte sich unruhig, ob vom Zittern ihrer oder seiner Hand, war nicht zu sagen. Er sah es und mußte an den rosaroten Pokal denken, um den Astorre und Lionetto gestritten hatten. Ihm war eiskalt vor Furcht. Schon seit Wochen.
Während sie trank, setzte er sich auf den Schemel beim Bett, die Ellbogen auf den Knien, die gefalteten Hände an den Mund gedrückt. Dann ließ er die Hände sinken. »Was hat Tobias gesagt?«
Es ging um Jaak de Fleury und Lionetto, wie erwartet. Was sie sich zusammengereimt hatten, war erstaunlich zutreffend. Und Marian konnte es natürlich um das ergänzen, was sie selbst wußte. Über seine Verbindungen zum Dauphin zum Beispiel. Die anderen wußten nicht, daß er und Gaston zunächst vergeblich versucht hatten, de Fleury mit Bestechung für die Seite des Dauphin zu gewinnen, aber das hatte letztlich natürlich nichts geändert.
Sie wußten auch nicht von Jordan de Ribérac. Einzig Marian und die Schwestern van Borselen wußten von der Fehde zwischen ihm und de Ribérac. Marian hatte erraten, daß er beim Sturz des Vicomte die Hand im Spiel gehabt hatte, aber wie er ihn bewerkstelligt hatte, konnte sie nicht wissen. Katelina war in der Bretagne, und er hatte es bewußt vermieden, jemanden nach ihr zu fragen. Gelis würde um ihrer Schwester willen nichts verraten. Und Felix, den
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