Niccolòs Aufstieg
eine unhaltbare Lage gebracht, und das machte ihn ärgerlich und wütend. Auch wenn er noch jung war, so war er doch intelligent und durchaus erfahren. Man sollte nicht sein ganzes Leben in einer Pfandleihe oder einer Färberei verbringen. Allerdings wäre eine Entlassung seinem Fortkommen auch nicht unbedingt förderlich.
Daher zeigte seine Haltung nun gleichermaßen Höflichkeit, Entschlossenheit und Bedauern. Meester Julius stand vor dem hochlehnigen Stuhl, auf dem Felix’ Mutter saß (sie hatte ihm keinen Platz angeboten), und erklärte, was es mit dem Badebassin des Herzogs auf sich gehabt hatte und welch ungerechtes Urteil gefällt worden war. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, legte er sodann dar, wie alltäglich Claes’ kleine Sünde gewesen war, die einen leicht angeheiterten Edelmann veranlaßt hatte, unberechtigterweise hinter ihm dreinzujagen und den Spaß zu weit zu treiben. Er hielt es für höchst unwahrscheinlich, daß Claes den Hund dieses Edelmanns auch nur angerührt hatte, aber das konnte natürlich nicht bewiesen werden. Und was die Geschichte mit dem Waterhuis und den Rohrleitungen anging …
»Zwar hat mein Sohn das mit anderen ausgeheckt, aber für die Ausführung war allein er verantwortlich. Soviel weiß ich bereits«, erklärte Marian de Charetty.
Julius arbeitete nicht gern für eine Frau. Als Cornelis plötzlich verstorben war, wäre er beinahe unverzüglich gegangen, hatte es sich dann jedoch anders überlegt. Es war sehr wohl möglich, daß sie Witwe blieb. Sie war mindestens zehn Jahre älter als er. Wenn er mit ihr zurechtkam, würden seine Kenntnisse mehr Entfaltungsspielraum haben, als Cornelis ihm je zugestanden hätte. Und mehr oder weniger genau so war es gekommen. Nur daß sie ihn bloß seiner Rechtskenntnisse wegen brauchte. In fast allen anderen Belangen war sie ebenso scharfsinnig wie ihr verstorbener Ehemann. Und da sie nicht soviel Zeit gehabt hatte wie Cornelis, sich Autorität zu verschaffen, war sie sogar strenger und unnachsichtiger. Dieses Jahr hatte sie ihnen allen zugesetzt, in Löwen wie auch in Brügge; doch was Felix betraf, da war sie zu weit gegangen.
Denn das, was Felix durchmachte, war reine Auflehnung, ausgelöst durch ihr Verhalten, den Verlust des Vaters und die Angst vor der Last, die die Übernahme des Unternehmens bedeuten würde. Und dies letzte galt vermutlich sogar für ihn selbst. Felix und die anderen jungen Männer taten ihm leid. Gelegentlich wurde auch er der langen Stunden überdrüssig, die er mit Verhandlungen und Buchhaltung zubrachte und dem Versuch, Felix durchs Studium zu lotsen, dessen einzige Sorge es war, bislang immer noch kein Mädchen erobert zu haben. Nun, zumindest dieses Problem hatte Claes nicht.
Meester Julius starrte seine Dienstherrin an, wie diese ihn im Hof angestarrt hatte, und was ihm dabei durch den Kopf ging, unterschied sich letztlich gar nicht so sehr von ihren Gedanken. Große herrische Frauen lehnte er bedenkenlos ab. Auch die Witwe de Charetty mochte er nicht besonders, aber ihm war klar, daß andere vielleicht nicht so dachten. Denn Marian de Charetty war klein, rundlich und tatkräftig, ihr durchdringender Blick kam aus strahlend blauen Augen, und in ihren Adern floß zinnoberrotes Blut, das ihre Lippen und ihre Wangen unter den schmalen kastanienbraunen Brauen färbte. Ihr Haar hatte er zwar nie gesehen, denn es war stets streng unter einer Haube verborgen, aber er konnte es sich vorstellen.
Ihr hübsches Aussehen könnte ihrem Unternehmen abträglich sein, dachte er. Sicher, in der Färberei würde keiner aus der Rolle fallen, doch die Händler und Geschäftsvermittler erwarteten vielleicht Gunstbezeugungen. Er selbst legte mit Bedacht ein förmliches Verhalten an den Tag. Und jetzt hatte er sogar die Hände auf dem Rücken verschränkt, um seinen Zorn zu zügeln und die Form zu wahren. Er wünschte bei Gott, sie wäre ein Mann und sie könnten einander einfach anschnauzen, Frauen brachen entweder in Tränen aus oder erklärten das Gespräch für beendet.
Er beantwortete ihre Fragen zu der Entscheidung des Magistrats, den Geldbußen und dem angerichteten Schaden. Sie notierte sich die Beträge und blickte auf.
»Und welche Rolle kommt Eurer Ansicht nach Euch selbst bei all dem zu?«
Er betrachtete angelegentlich seine Fußspitzen, sah dann jedoch freimütig auf. »Da Felix meiner Obhut unterstand, bin letztlich ich der Schuldige«, erklärte er. »Vielleicht denkt Ihr nun, ich sei auf lange Sicht kein
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