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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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hinunter und holte seinen verdrossenen, wutentbrannten Zögling gerade noch rechtzeitig ein, um ihn zu einem ruhigen Fleck zu führen und mit ihm zu reden. Mittendrin wurde ihm bewußt, daß er offenbar letztlich doch einen Entschluß gefaßt hatte.
    Ein Bediensteter war nach Claes geschickt worden, und alle sahen zu, wie er die Treppe hinunterpolterte, an die Tür seiner Herrin klopfte und eintrat. Und sie alle schlichen davor herum. Doch die Tür war massiv, außerdem erhob ihre Dienstherrin nie die Stimme. Ohnehin kam der alte Henning und verjagte sie. Einer der Burschen berichtete, die Witwe habe eine Peitsche mit drei drahtverstärkten Riemen, doch auch Peitschenhiebe waren nicht zu hören.
    Als Claes eintrat, schrieb Marian gerade. Und schrieb weiter, bis er leise die Tür hinter sich schloß. Als er zu ihr an den Tisch trat, blickte sie auf. »Dreh dich um.«
    Er lächelte sie freimütig an. »Nicht nötig, Demoiselle. Es verheilt gut. Meester Julius hat sich um mich gekümmert. Und beim zweiten Mal -«
    »Hat er gezahlt, ich weiß. Du wirst umkommen, Claes. Du wirst sterben, ehe du zwanzig bist, wenn du nicht ruhiger wirst. An der Kanone war dir bestimmt nicht gelegen, oder?«
    »An der Kanone?« erwiderte er erstaunt.
    »Oder hat dich jemand bezahlt… Nein, das haben sie natürlich nicht getan«, beantwortete sie die Frage selbst und musterte ihn stirnrunzelnd. »Du würdest dich, nur um des Vergnügens willen, einen anderen hereinzulegen, über Bord fallen lassen. Willst du nicht wissen, wie ich darauf komme?«
    Mit hängenden Armen stand er da, völlig gefaßt. »Vermutlich haben die Beamten des Herzogs für die Demoiselle die Geldbuße bezahlt«, erklärte er. »Aber das konnte Meester Julius natürlich nicht erzählt werden.«
    »Julius hat mir statt dessen erzählt, was für ein fleißiger, wertvoller Arbeiter du bist. Meinst du, die Ausrichtung deiner Talente ist seiner Aufmerksamkeit entgangen?«
    Er hatte sie falsch verstanden. »Jongeheer Felix geriete auch ohne mich in Schwierigkeiten. So ist das nun einmal bei jungen Herrn.«
    »Vielen Dank für die Aufklärung. Ich weiß, und auch Meester Julius weiß, wenn du dabei bist, ist der Unfug meist harmlos. Was Felix auf eigene Faust unternimmt, ist nicht so besonnen. Der Wächter des Waterhuis erhält eine Prügelstrafe und wird entlassen, wenn nicht Schlimmeres. Das hattet ihr nicht eingeplant, ich weiß.«
    Er erwiderte nichts, doch dann sagte er: »Demoiselle hat natürlich recht. Jongeheer Felix muß beschäftigt werden, und zwar weit weg von den wohlmeinenden Respektspersonen, die sich noch an seinen Vater erinnern. Demoiselle erwägt also, ihn von der Universität zu nehmen?«
    Sie führte die Hand zum Mund. »Ich habe mit dem Gedanken gespielt. Doch ich hatte das Gefühl, Löwen sei wichtig.«
    Schweigen. Dann nahm Claes den Faden wieder auf. »Demoiselle wird vielleicht feststellen, daß es seinen Zweck erfüllt hat.«
    Erneutes Schweigen. Dann fragte sie: »Und wenn ich dich zusammen mit ihm hinschicke, damit du mit ihm lernst?«
    Im Lauf der Jahre hatte sie gelernt, nicht auf das zu hören, was Claes sagte, sondern auf den Ausdruck seiner Augen zu achten. »Jongeheer Felix ist kein Kind mehr«, erklärte er. »Vielleicht wäre die Gesellschaft von seinesgleichen besser für ihn.«
    Sie musterte ihn nach wie vor. »Aber gegen Meester Julius hätte er wohl nichts einzuwenden?« Sein Lächeln war nicht falsch zu verstehen. »Ach, eher anders herum. Meester Julius könnte gegen ihn aufbegehren. Also schicke ich meinen Sohn weg, und du und Julius, ihr bleibt und helft mir, mein Unternehmen zu führen? Mit Großtaten wie der gestrigen?«
    »Die Kapriolen mit den Schotten?« fragte er.
    »Mit dem Schotten«, sagte sie scharf. »Ein Akt mutwilliger Bosheit. Der Verrücktheit. Des Wahnwitzes. Was hast du dazu zu sagen?«
    »Es war ein Mißgeschick«, erklärte er und senkte den Blick.
    »Wie das mit der Kanone?« sagte Marian de Charetty. »Nur daß es diesmal persönlicher Natur war. Du hattest den Mann in Damme gesehen. Und eine Abneigung gegen ihn gefaßt, noch ehe du überhaupt wußtest, wer er war. Du hast beschlossen, ihn lächerlich zu machen.«
    »Demoiselle«, versetzte Claes und hob den Blick. »Ich hatte nicht damit gerechnet, entdeckt zu werden. Ich sollte der Lächerlichkeit preisgegeben werden.« Sie sagte nichts, sondern starrte ihn einfach so lange an, bis er weitersprach. »Die Menschen handeln ihrem Wesen gemäß. Ich habe mich nur

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