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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Kopfbedeckung mit von Staubperlen übersätem Schleier. Astorre und die Dienerschaft trugen Charetty-Blau, jene ganz besondere Farbe, die Cornelis erfunden hatte und die sie im Andenken an ihn weiter verwendete. Die Schabracken der Pferde, auf denen sie und ihre Töchter einzogen, waren aus Samt und Golddraht gefertigt, die Geschirre aus Silber. Brügge sollte aufmerken, wenn die Witwe eines ihrer Bürger in die Stadt einzog. Nicht zuletzt, um den Eindruck von Felix’ Verhalten zunichte zu machen.
    Sie hatte ganz vergessen, welcher Lärm hier herrschte. All das Knarren, Ächzen und Schlagen der Windmühlen. Und in den langen Bogengängen der Stadttore hallte das Klirren und Scharren stampfender Pferde, das Quietschen und Rattern von Wagenrädern, das Stimmengewirr der Leute vom Land.
    In den Straßen schlugen ähnliche Geräusche zwischen den schiefstehenden Häusern hin und her. Im September hatten alle Werkstätten geöffnet, alle Fensterläden waren aufgeklappt. Sie hörte das Kratzen einer Säge, das Klatschen des Teigs im Backtrog, das Klappern der Ofentüren. Sie hörte das Knirschen des Schleifsteins, das Getöse und Geklirre in der Schmiede, wütende und freudige Stimmen, Hunde und Schweine und das Krähen eines Hahns. Sie hörte das zänkische Kreischen der Möwen über sich und das eintönige Quietschen der Zunftschilder, vor allem aber das Klappern der Webstühle, das Straße für Straße widerhallte.
    Doch in dem Vierteljahr, das sie in Löwen gewesen war, hatte sich auch einiges verändert. Sie schenkte allem Beachtung und antwortete höflich und genau auf Zurufe von Bekannten, legte jedoch unbeirrt und ohne anzuhalten den Weg nach Hause zurück. Nach Hause und zu ihrem Betrieb. Für sie ein und dasselbe.
    Und da war auch schon die Einfahrt zur Färberei, auf die Cornelis so stolz gewesen war: sauber gefegt, keine Grasbüschel zwischen den Kopfsteinen: gut so. Es roch nach siedenden Färbemitteln und Urin. Gerüche, die andere Leute störten, sie jedoch nicht. Und dort im Hof (warum sollten sie sich die Gelegenheit zu einer Pause entgehen lassen?) standen ihre treuen Untergebenen, um sie zu begrüßen.
    Die Färber in Schürzen, an denen ihre Hände wie indigoblaue Kürbisse herabhingen. Die männlichen Bediensteten mit ordentlichen Kappen oder Mützen und in sommerlichen Leinenwämsern, die Manschetten schwarz vom vielen Nasewischen, aber alle Löcher gestopft. Die Frauen in anständigen Kleidern und mit sorgfältig gebügelten und unter dem Kinn gebundenen Kopftüchern. Sofort sprangen die Stallburschen dazu und kümmerten sich um die Pferde.
    Mitten unter ihnen stand ihr Färbermeister Henning, mit einer breitkrempigen Kappe und einem seitlich offenen Kittel, der hinten bis an die Waden, vorne aber nur bis an die Knie reichte, was an seinem Bauch lag, der nicht kleiner geworden war. Kam das nun von ihrem Essen oder von ihrem Wein, sie wußte es nicht. Aber ein ehrbarer Mann, das hatte Cornelis stets betont. Schwerfällig, ohne jeden Sinn für Zahlen, aber ehrbar.
    Julius war eingestellt worden, weil jemand mit juristischen Kenntnissen gebraucht wurde. Und da war er auch schon. Aufrecht, doch nicht herausfordernd. Aber auch nicht ehrerbietig, wenn man es genau nahm. Viel zu gutaussehend, hatte Cornelis gemurrt, als sie ihn eingestellt hatten. Nicht weil er ihr nicht vertraute, dazu sah er keinen Anlaß. Doch das offene, starkknochige Gesicht mit den schrägstehenden Augen und einer so geraden Nase, daß auch ein Bruch ihr nichts hätte anhaben können - dieses Gesicht konnte bei den Ehefrauen der Bürger und den Dienstmädchen im Haus und auf dem Markt Unruhe stiften.
    Doch es hatte keinerlei Schwierigkeiten mit Meester Julius gegeben. Entweder war er absolut verschwiegen, oder das andere Geschlecht spielte in seinen Überlegungen keine Rolle. Das eigene Geschlecht (so schien es wenigstens) glücklicherweise auch nicht. Allerdings hatte er sich oft genug zusammen mit Felix zum Narren gemacht.
    Und da war er. Ihr Sohn stürmte mit einem albernen Hut in der Hand aus dem Haus, so daß seine frisierten Locken auf und ab tanzten. Immer noch so schmal - war er etwa krank? Warum wurde er nicht reifer? Und immer noch so ungestüm. Immer noch …
    Sie war abgesessen, und noch ehe er bei ihr anlangte, hielt sie ihn auf. »Felix de Charetty, zurück ins Haus. Wenn ich mit dir sprechen möchte, werde ich nach dir schicken.«
    Kränkung stand in seinen Augen: trotzig schob er die Unterlippe vor. Dann senkte er den

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