Niccolòs Aufstieg
aufgehört.
Die Tür flog auf. »Das habe ich gehört«, sagte Hauptmann Astorre. »Jongeheer Felix -«
»Ich fahre nach Sluis«, verkündete Felix zum dritten Mal.
Claes seufzte nicht einmal. »Ich auch«, sagte er nur und grinste dabei den Hauptmann frech an. Der gab ihm zerstreut einen Klaps auf die Wange und rief: »Worauf warten wir dann noch?«
Astorre, dessen Freund, Bruder Gilles, soeben für die Medici- Kapelle auserkoren worden war, zeigte sich glänzender Stimmung, und daraufhin lichteten sich auch die letzten Wölkchen in Felix’ Gesicht. Lachend sah er Astorre an und Tommaso Portinari, der geschäftig hereinkam, um sie zum Boot der Firma zu bringen. Selbst Claes, der gehorsam auf Strümpfen folgte, die Holzschuhe um den Hals, um die Bootsplanken zu schonen, und die große Schere in die Schürze gewickelt unter dem Arm, gönnte er einen freundlichen Blick.
Ohne Skrupel stiegen sie ins Boot, und sogar Tommaso machte ein fröhliches Gesicht. Auf nach Sluis zu den venezianischen Galeeren! Das war alles, was sie im Kopf hatten.
Später behauptete der Rechtskonsulent Julius (aber das war gelogen), es sei der schlimmste Augenblick seines Lebens gewesen, als er an diesem sonnigen Septembertag vom Deck des venezianischen Flaggschiffs abwärts blickte und auf dem Kanal, von kräftigen Ruderschlägen angetrieben, das Medici-Boot herankommen sah, in dem nicht nur Felix saß, der versprochen hatte, Brügge nicht zu verlassen, sondern auch Claes, der unter Hausarrest stand, und Tommaso Portinari, dem seine Dienstherrin auf keinen Fall etwas schuldig sein wollte, der aber, seiner gerümpften Nase nach zu urteilen, von irgend jemandem Schmerzensgeld dafür verlangen würde, daß er von Brügge bis Sluis den Gestank von Claes’ Schürze hatte aushalten müssen.
Das schlimmste aber war für ihn der Anblick Astorres, des Hauptmanns seiner Dienstherrin, der mit Hühnerbrust und Gockelkopf am Bug stand. Sein Spitzbart stach wie ein Schnabel in die Luft, als er aus dem Boot sprang und am Kai stehen blieb, um mit seinen Knopfaugen die Türme von Kisten, die Terrassen üppiger Ballen, die Landschaften aus Säcken, Körben und Fässern zu mustern, zwischen denen sich Trauben von Menschen bewegten. Schwingende Kranarme trugen diese Gebilde Stück für Stück ab, um sie auf Karren und Boote oder in Speicher zu befördern.
Dann schwenkte der Spitzbart schiffwärts, und Julius zog sich vorsichtig zurück. Wenigstens lagen zwei Schiffe am Kai, da konnte man immer noch hoffen, daß Felix, Claes und Astorre nicht ausgerechnet aufs Flaggschiff kommen würden.
Zwei Galeeren mit jeweils einhundertsiebzig Ruderern, dreißig Bogenschützen, dem Steuermann, dem Schreiber und seinem Gehilfen, den Kalfaterern, dem Zimmermann und dem Koch, den beiden Ärzten und dem Notar, die alle ihre Schiffskisten an Deck gebracht und geöffnet hatten, um auszustellen, was sie zu verkaufen hatten.
In den Häfen kleinere Waren privat zum Verkauf anzubieten war eines der Privilegien, die die Mannschaften der Flandern-Galeeren genossen. Es hätte Julius nicht gewundert, wenn auch der Geistliche eine Reisetasche mit etwas Räucherwerk und einigen kostbaren Kirchengewändern unter Deck gehabt hätte. Und die Kajüte des Kommodore war ganz sicher bis hinauf an die Arazzowandteppiche mit Süßwein und diversen kleinen, aber dafür um so gewichtigeren Dingen vollgestopft, etwa Goldstaub aus Guinea, woher dieser krausköpfige Sklave dort stammte.
Doch all dies war natürlich für die Freunde Messer Alvise Duodos bestimmt und wurde nicht marktschreierisch feilgeboten. Der Grieche mit dem Holzbein, Monsignore Nicholai de Acciajuoli, war jetzt mit Duodo dort drinnen, zweifellos weil er sich Nachricht über seinen in Konstantinopel gefangengehaltenen Bruder erhoffte.
Es war ein Jammer, daß der Grieche nicht allein gekommen war. Es war ein Jammer, daß er jenen Edelmann und Kaufmann mitgebracht hatte, der mit ihm aus Schottland angereist war, den unerfreulichen Simon. Im Moment war der Vorhang der Kajüte noch geschlossen, aber einer der Herren konnte jeden Moment herauskommen, noch ehe Julius seine Geschäfte getätigt hatte. Ein Jammer war es auch, daß Julius nicht ganz nüchtern war.
Nach den Zwischenfällen mit der Kanone, dem Mädchen und dem Hund wollte Julius keinesfalls Simons Aufmerksamkeit auf sich oder ein anderes Mitglied des Hauses Charetty ziehen. Einmal schon hatte er sich dem Blick des Mannes erfolgreich entzogen; auf einem hundertachtzehn
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