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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Doch er war in Form wie ein Zwanzigjähriger, und in seinem Bart war noch kein Härchen grau. »Ihr habt es ihm also gesagt?« fragte er.
    »Nein«, erwiderte Marian de Charetty.
    »Hat er sich davongemacht? Das hätte ich nicht gedacht«, meinte der Hauptmann.
    »Nein. Er ist in dem einen Jahr ziemlich gewachsen.«
    »Zu sehr?« fragte Astorre, lachte rauh und spuckte auf den Boden. Es gab Söldner, die nach Höherem strebten, und solche, deren Ziele bescheidener waren. Es lag wohl an seinem kleinen Wuchs, dachte sich Marian de Charetty oft, daß Astorre unverändert roh und streitlustig blieb. Er war gewitzt und erfahren. Doch schon vor Cornelis’ Tod hatte sie es verstanden, mit ihm umzugehen.
    »Er ist in mancherlei Hinsicht gewachsen«, erklärte sie. »Bis die Galeeren eintreffen, will ich keine Unruhe. Anschließend werde ich es ihm sagen.«
    »Wie es Euch beliebt.« Astorre war unbesorgt. Er verließ das Zimmer, um die restlichen Kästen zu holen, und Marian de Charetty beobachtete ihn. Ihrer Ansicht nach hatte Claes wahrscheinlich schon erraten, was sie mit ihm vorhatte. Und wenn nicht, dann käme er auf seinen Botengängen durch all die anderen Höfe, Küchen und Schreibstuben, wo er stets gern gesehen war, noch früh genug dahinter.
    Er käme dahinter, doch er unternähme nichts, solange sie es ihm nicht offiziell sagte. Darauf konnte sie sich verlassen wie auf nichts sonst. Sie dachte daran, wie Claes Julius und dieser wiederum Claes verteidigt hatte, und verspürte einen Anflug von Eifersucht.

KAPITEL 7
    Ich werde Lord Simon aus dem Weg gehen«, hatte Claes versprochen.
    Marian de Charetty sorgte dafür, daß er sich an sein Versprechen hielt. Sie stellte ihn unter Hausarrest, und ihren ungebärdigen Sohn Felix dazu. Unglücklicherweise fiel es ihr nicht ein, auch ihren Söldnerhauptmann Astorre, den sie für erwachsen hielt, an die Leine zu nehmen. Als einige Tage später die Handelsgaleeren aus Venedig eintrafen, meinte sie, in ihrem Haus alles unter Kontrolle zu haben, so daß sie nun nichts mehr von ihren Geschäften ablenken würde. Zunächst täuschte sie sich da auch nicht.
    Claes und Felix waren nicht unter den ungefähr fünfzigtausend aus Brügge, die zu Fuß oder in Ruderbooten den kurzen Weg bis zum Hafen in Sluis zurücklegten, um dabei zu sein, wenn die beiden schlanken Schiffe aus Venedig dort einliefen und vor Anker gingen.
    Es war alle Jahre wieder ein unvergleichliches Schauspiel. Diese Pracht, wenn im Sonnenlicht die seidenen Flaggen aufleuchteten; wenn sich die Ruder wie an einer Schnur gezogen nacheinander aus dem Wasser hoben und in zwei langen Reihen zu beiden Seiten des Schiffs senkrecht stellten. Dieses Vergnügen, wenn auf dem Flaggschiff die Musik zu spielen begann. Zuerst das Rasseln und Zwitschern der Trommeln und Pfeifen, dann das Schmettern der Trompeten vom Achterdeck. Über den blitzenden Blechinstrumenten winkten flatternd die Fransen des Sonnendaches, auf dem in üppiger Stickerei und leicht zu erkennen das Wappen des jeweiligen Kommodore prangte.
    Man meinte, über das Wasser hinweg die duftende Fracht zu riechen: Zimt und Gewürznelken, Räucherwerk, Honig und Lakritze, Muskat und Zitronen, Myrrhe und Rosenwasser aus Persien. Man meinte, die funkelnden Häufchen Saphire und Smaragde zu sehen, golddurchwirkte Gazestoffe, Straußenfedern und Elefantenzähne, Kautschuk und Ingwer und die Korallenknöpfe, die vielleicht schon nächste Woche Mijnheer Goswin, der Schriftführer der Hanse, an seinem Rock tragen würde.
    Es war eine geschickte Inszenierung; genau wie bei den Kunststücken der Gaukler des Herzogs zur Karnevalszeit. Es war kein Zufall, daß die Galeeren stets bei Tag in den Hafen einliefen, die Segel eingeholt, Decks geschrubbt, Ruderer und Seeleute in Uniform und die adeligen Befehlshaber mit frisch gestutzten Bärten, in steifen Prachtgewändern nach der extravaganten Mode der Venezianer, vielleicht sogar mit einem angeketteten Krallenäffchen auf der Schulter.
    Die Inszenierung vorzubereiten war kein Kunststück. Die venezianischen Flandern-Galeeren blieben ganz einfach nie über Nacht auf See, wie es die rundbauchigen Schiffe taten, auf denen sich Schmutz und Unordnung in solchem Unmaß ausbreiteten, daß vor der Landung keine Zeit blieb, sie zu beseitigen. Die Flandern-Galeeren liefen jeden Abend einen Hafen an, wenn sie auf ihrer kostspieligen Fahrt von schwülen Sommerwinden getrieben die Adria hinunterfuhren, Korfu und Otranto passierten, in Sizilien

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