Niccolòs Aufstieg
anlegten und den italienischen Stiefel hinaufsegelten bis Neapel, ehe sie über das westliche Mittelmeer nach Mallorca flogen und weiter zur Küste Nordafrikas, um schließlich Kurs nach Norden zu nehmen, Spanien und Portugal zu umrunden, wo man kleinere, gewinnbringende Warenposten absetzte, die nicht für Brügge bestimmt waren, und dafür Olivenöl, kandiertes Orangeat, duftendes Leder, Zuckerhüte, etwas ungemünztes spanisches Silber und einen Papagei aufnahm.
Aber niemals Allerweltsgüter, niemals Massenware. Die Flandern-Galeeren der Republik waren die Paradeschiffe der Flotte Venedigs, einzig für Luxusgüter bestimmt, mit den besten Leuten bemannt und unter hohem Kostenaufwand so gebaut, um jedes Piratenschiff hinter sich zu lassen.
Sie kamen jedes Jahr und trennten sich stets, wenn sie den Ärmelkanal erreichten: zwei nach Brügge und eine nach London- oder Southampton, wenn die Londoner in dem Jahr gerade wieder einmal gegen ausländische Kaufleute zu Felde zogen. Die gesamte Fracht der drei Flandern-Galeeren, hieß es, sei mehr als eine Viertelmillion Golddukaten wert. Ja, so viel Geld gibt es auf der Welt, sagten die Leute. Und wie zum Beweis: Seht doch, der Doge und diese Bande in Venedig bewilligen zwanzig Pfund jedes Jahr zur Bestechung der Zöllner in Brügge, damit diese die Fracht auf einen geringeren Wert veranschlagen. Das ist wahr, glaubt mir. Ich hab’s von einer Zöllnerwitwe. Und das Zehnfache springt jedesmal als Handgeld für Herzog Philipp persönlich heraus.
So redeten die Leute, während sie zusahen, wie die Zöllner zu den Schiffen gerudert wurden, zwei pro Galeere; wie das Empfangskomitee und später die Herren aus Damme mit ihren goldenen Amtsketten aufmarschierten. Und viel später erst - denn manche zeugten ihre Söhne erst nach der Taufe, um ihre Würde zu mehren - begann die große Glocke im Belfried zu läuten, und Jan Blaviet kam mit einem Kopfputz wie ein in einem Dornbusch verhakter Verband auf einem Maultier angeritten. Ihm folgten Anselm Adorne und Jan van der Walle mit einer Schar Pferdeknechte, Diener und Soldaten mit dem Stadtwappen und der Fahne von Brügge sowie die Vertreter der venezianischen Handelshäuser: der dicke Bembo, der dünne Contarini und dieser feiste Geizhals Marco Corner.
Und wiederum eine ganze Weile danach - denn die Venezianer genossen Vorrang bei der Einsicht in die Ladelisten und beim Löschen der Ladung wie auch später beim Beladen, ehe die Schiffe wieder ausliefen - trafen die Vertreter der übrigen Handelsgesellschaften ein, die Lieferungen erwarteten.
Wie zum Beispiel der mit Ringen geschmückte Tommaso Portinari, falls er Tani überreden konnte, ihm die Abwicklung anzuvertrauen. Und Jacopo Strozzi, der vielleicht den jungen Lorenzo mitbrachte, wenn ihn die Gicht gar zu sehr plagte. Und Jacques Doria und Lommelin und die anderen Genueser. Und Pierre Bladelin, der persönliche Schatzmeister des Herzogs, um zu prüfen, ob alle vom Herzog ausdrücklich bestellten Artikel da waren; und João Vasquez, begleitet von Figuieres und den anderen Portugiesen, in gleichem Auftrag für die Herzogin. Es kam ein Vertreter der Gastwirtsvereinigung, um zu sehen, ob jemand Unterkunft brauchte. Es kamen die Deutschen von der Hanse, die sich nach den Preisen erkundigten. Und es kamen die Luccheser, angeführt von dem bleichgesichtigen Giovanni Arnolflni, der die Vorlieben des Herzogs bei Seidenstoffen kannte und diesen oder jenen lohnenden privaten Auftrag zu vergeben hatte.
Vieles spielte sich hinter den Kulissen ab, wenn die Flandern- Galeeren einliefen. Die wichtigen Leute kamen gar nicht erst zum Hafen hinaus, sie warteten, bis alles auf Lastschiffen zum Stapelplatz in Brügge und zur Waterhalle gebracht wurde. Die harten Verhandlungen, hieß es, begännen erst dann. Man hatte schließlich den ganzen Winter zum Schachern und Feilschen. Sechs Monate lagen die Schiffe im Hafen, und in jeder Schenke und jedem Bordell in Brügge und an der Küste wollten vierhundert Seeleute bewirtet und unterhalten sein.
Die Flandern-Galeeren aus Venedig waren endlich da, und der Klang von Glocken und Trompeten war nur das Vorspiel zum betäubenden Klimpern des Geldes.
Am dritten Tag nach der Ankunft der venezianischen Schiffe hob Marian de Charetty unvorsichtigerweise den Stubenarrest ihres Sohnes Felix auf, machte allerdings zur Bedingung, daß er Brügge nicht verlasse. Ein Ausflug nach Sluis war damit hinfällig.
Sie vermutete mit einer gewissen Berechtigung, daß
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