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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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in dessen Verlauf sie beide aufstanden.
    Ob Claes von Marian de Charetty gesprochen hatte oder nicht, spielte kaum eine Rolle. In dem Moment, als er aufstand, rief Lionetto: »Ha!«, packte rechts und links je einen seiner Kumpane und drängte sich rücksichtslos durch die Menge zu Claes. Sein rotbraunes Wams und sein Haar hatten die gleiche Farbe.
    »Ha!« rief er noch einmal. »Wem verdreckst du denn heute das Hemd, du elender Halunke? Und wer hatte den hirnverbrannten Einfall, dich mit deinen stinkenden Lumpen auf dieses Schiff zu lassen? Du brauchst mal eine gründliche Wäsche. Los, schrubbt ihn.«
    Zweifellos etwas schwerfällig durch den Wein, den er mit Henning genossen hatte, starrte Julius die beiden Kumpane Lionettos an, die Claes packten und jetzt unter allgemeinem Beifallsgebrumme begannen, ihn zum schnellen Wurf über Bord in die Höhe zu schwingen. Niemand zeigte besondere Angst um Claes, und ihm selbst war keine Spur von Empörung anzusehen, wie er da mit etwas verdutzter Miene im festen Griff der Söldner hing. »Vielleicht kann er nicht schwimmen«, bemerkte ein Glatzkopf in der Menge beiläufig.
    Claes konnte schwimmen und brauchte tatsächlich eine gründliche Wäsche. Julius bedachte die Situation und sagte sich vom Wein benebelt, es sei ja kein Notfall.
    Aber sie kamen nicht dazu, ihn über Bord zu werfen. Vorher eilte mit drei Schritten der drahtige Astorre heran und trat einem von Claes’ Peinigern in die Kniekehle, so daß der Mann laut schreiend auf die Knie fiel. Einen Augenblick hielt der andere Söldner sein Opfer noch am Handgelenk gepackt, dann schleuderte er Claes’ Arm von sich, um sich auf Astorre zu stürzen.
    Lionetto kam ihm zuvor.
    Er beachtete weder seine eigenen Söldner noch Claes, der ganz verwirrt dastand, sondern faßte, ohne ein Wort oder einen Schlag, Astorre, der keinen Widerstand leistete, beim rechten Unterarm und riß seine Hand auf Taillenhöhe empor.
    In den vereinten Söldnerfäusten leuchtete ein Pokal aus emailliertem rosafarbenen Glas mit reicher Goldverzierung.
    »Der gehört mir«, erklärte Lionetto herablassend. »Ich habe ihn letztes Jahr beim Steuermann bestellt.«
    Astorre zeigte grinsend die gelben Zähne unter dem Spitzbart. »In der Tat! Das hat er ganz vergessen zu sagen. Bezahlt habe ich den Pokal.«
    »Wie kann man nur so kindisch sein«, sagte Lionetto. »Ich möchte mir die Mühe sparen, ihn dir mit Gewalt abzunehmen. Gib ihn her, dann bekommst du von mir, was du bezahlt hast.«
    »Ihn mir abnehmen?« spottete Astorre. »Du hirnloser Koloß! Dieses Bürschchen und ich könnten dich zusammen bis auf die Unterhose ausziehen. Bis auf deinen kümmerlichen Schwengel, wenn wir wollten. Aber der Kommodore ist Gast unseres Landes, und auf seinem Schiff prügelt man sich nicht. Ich werde mein Eigentum jetzt an mich nehmen.«
    »Mein Eigentum«, entgegnete Lionetto.
    »Von mir bezahlt«, sagte Astorre.
    »Signori!« ertönte da eine Stimme recht nachdrücklich.
    Sie drehten sich herum.
    Der Vorhang zur Kajüte des Kommodore war beiseite geschoben worden, in der Öffnung stand Messer Alvise Duodo, der Held von Konstantinopel, und an seiner Seite Nicholai de’ Acciajuoli, der heute ein Samtbarett zum eleganten Kapuzenumhang trug. Hinter den beiden erkannte Julius mit Unbehagen das arrogante glattrasierte Gesicht Simon von Kilmirrens, der mit seinen Ansprüchen auf Schadenersatz für seinen Hund die Familie Charetty beinahe an den Bettelstab gebracht hätte.
    »Signori!« sagte der Kommodore noch einmal und absichtlich in einem Ton, der einige seiner Bogenschützen veranlaßte, wachsam aufzuschauen.
    Als der Kommodore den Kopf drehte, war zu erkennen, daß sein Haar, das er gebauscht trug, bis zu den Ohren hinauf rasiert war. Sein Überrock, die Knöpfe daran, der Stil seines flachen Baretts und des Wamses aus Seidenmoire waren von großer Eleganz. Nur Mitglieder reicher Familien wie der Contarini, der Zeno oder der Duodo wurden vom Senat der Republik Venedig erwählt, die Flandern-Flotte zu führen, und einige dieser Männer waren zufällig auch gute Seeleute, doch das war nicht das entscheidende. Entscheidend war das feine Gespür, das zum Beispiel den Kommodore Duodo befähigte, aus den wenigen gemurmelten Worten des Griechen herauszuhören, daß die Unruhestifter waren, deren Bedeutung so wenig zu unterschätzen war wie ihre Gefährlichkeit.
    »Ah«, sagte Duodo vortretend. »Il Signore di Astariis und il Signore Lionetto. Gerade habe ich Euch gesucht.

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