Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
Vom Netzwerk:
geflickte Hose und strich mit einem Finger, von dem das Färberblau fast verschwunden war, glättend über das ausgebeulte Knie. Obwohl er zusammengekrümmt auf dem niedrigen Hocker saß, schien er allen Raum in dem kleinen Kabinett einzunehmen, das eigentlich für Julius allein gedacht war. Plötzlich lachte er. »Ihr werdet es nicht glauben, Demoiselle. Aber ich denke, vor unerwünschtem Spott.«
    »Dann solltest du lernen, damit umzugehen«, sagte Marian. »Wie gesagt, du hast noch viel zu lernen. Hauptmann Astorre hat nichts dagegen, dein Lehrmeister zu sein. Auch von Julius wirst du lernen. Im übrigen hoffe ich, daß Julius seinerseits einiges vor dir lernen wird. Wenn du nicht da bist, steigen die Ausgaben, die er für Felix’ Lehrbücher und dergleichen errechnet, häufig ins Phantastische.«
    Der Finger an seinem Knie hielt inne, er sah sie an.
    Sie beantwortete die Frage mit einer Gelassenheit, die sie nicht vorzutäuschen brauchte. »Ja. Julius möchte auch nach Italien. Ich hoffe übrigens, du hast dich bei ihm für die Sache in Sluis bedankt.«
    »Ja, natürlich«, versicherte Claes. »Warum will er mit Astorre gehen? Was werdet Ihr dann tun? Wer wird Euch hier mit den Geschäften helfen?«
    Ihre ängstliche Besorgnis löste sich einen Moment lang in Erheiterung auf. »Warum sollte er nicht gehen? Julius ist ehrgeizig. Eine gutgeführte Truppe braucht einen Schreiber, einen Zahlmeister und einen Kassenverwalter. Er hätte ein gutes Einkommen und die Autorität, die ihm so wichtig ist. Und was das Geschäft angeht, so fürchtet Julius sicher nicht ernsthaft, daß der Pfandleiher Oudenin vor Ablauf des Vertrags seinen Platz einnehmen wird. Eines weiß er aber gewiß - daß ich ihn weder jetzt noch später zum Teilhaber machen werde. Ich brauche einen klügeren.«
    Schweigen.
    Sie wußte, daß alles, was sie gesagt hatte, verstanden worden war. Das, was sie dachte - nicht bis ins Letzte. »Ich komme sicher zurecht«, bemerkte sie. »Vielleicht nehme ich mir vorübergehend jemanden. Das ist meine Sache. Deine Sache ist deine unmittelbare Zukunft. Du hast drei Angebote. Welches nimmst du an?«
    Sie konnte den Entscheidungsprozeß von seinem Körper ablesen: wie er die Arme streckte, so daß die großen Hände auf den Knien sich strafften; wie er mit einem tiefen Atemzug die Muskeln spannte, die ihn in höflich aufmerksamer Haltung auf dem niedrigen Hocker ohne Lehne gehalten hatten.
    »Habt Ihr bedacht, daß Ihr von Gesetzes wegen Anspruch auf eine Vergütung vom Kommodore oder vom Dauphin hättet, wenn Ihr mich aus dem Lehrverhältnis entlaßt?«
    Sie hatte ihre Antwort bekommen. Trotzdem blieb ihre Stimme ganz ruhig. »Ich bedenke es jedesmal, wenn ich die Sollseite in meinen Büchern sehe. Wenn du vor den anderen Angeboten meines wählst, werde ich zum Ausgleich hohe Gewinne verlangen. Habe ich das richtig verstanden, du hast dich für Astorre und Italien entschieden?«
    Seine Ergebung war offenkundig. »Ich habe keine Wahl. Ich wurde ja dazu erzogen, Euch widerspruchslos zu gehorchen. Wenn Ihr mich also nach Mailand sendet, gehe ich dorthin.«
    »Welch ein Martyrium!« sagte Marian. »Wir werden uns bemühen, deinen Abschied zu überleben.«
    »Ja, sicher«, meinte Claes geistesabwesend. Er war mit den Gedanken offenbar woanders. »Was das Geschäft angeht, so meint Ihr und Meester Julius doch, daß Henning die Walk- und Appreturarbeiten gern weggäbe, um sich mit Lippin als Gehilfe ganz der Färberei zu widmen. Und ein Kontorvorsteher mit ein bißchen Humor - wir wissen alle, so was gibt es - könnte mit Jongeheer Felix arbeiten, der sich jetzt langsam für das Unternehmen zu interessieren beginnt. Das Anlagegeschäft in Löwen kann eine Weile so laufen, aber auf lange Sicht muß es wirklich mehr Geldgeber anlocken, sagt Julius. Vielleicht können Astorre, Julius und ich dafür etwas tun.«
    »Das könnt ihr«, erwiderte sie. »Wenn ihr als Besatzungstruppe für Neapel verpflichtet werdet, bringt das dem Geschäft hier gutes Geld.«
    »Ja, natürlich«, stimmte er zu. »Aber ich dachte an etwas anderes. Ihr könntet uns mit einem Zug reisender Kaufleute nach Süden schicken. Diese Leute und ihre Waren brauchen Geleitschutz über die Alpen. Aber das meiste Geld würde herausspringen, wenn wir Dokumente befördern, Wechsel, Kreditbriefe, Geschäftsberichte flandrischer Banken für ihre italienischen Zentralen. Ein Winterkurierdienst. Die Banken würden Euch eine Gebühr bezahlen, und ich könnte alles auf

Weitere Kostenlose Bücher