Niccolòs Aufstieg
drittes Angebot vorliegt. Da muß ich mich Euch geschlagen geben. Ich habe keine Ahnung, von wem es kommt.«
»Es kommt von mir«, sagte Marian de Charetty mit fester Stimme. »Ich möchte, daß du dich Hauptmann Astorre und seinen Söldnern auf ihrer Reise nach Italien anschließt. Wenn er dich tauglich findet, sollst du an seiner Seite bleiben und jede Verpflichtung mittragen, die er in meinem Namen eingeht. Nach Ablauf des Vertrags kannst du wählen, ob du bleiben oder hierher zurückkehren willst.«
Er wechselte die Farbe. Mit dieser Gefühlsreaktion hatte sie nicht gerechnet und war bewegt. Doch selbst jetzt konnte sie nicht erkennen, ob er sich freute oder fürchtete.
»Du und Julius, ihr habt immer behauptet, die Söldnertruppe könnte der lukrativste Teil des Geschäfts sein«, sagte sie, um ihm Zeit zu geben. »Astorre hat mir einen guten Grund gegeben, das zu glauben. Der Herzog von Mailand und der Papst werben für den Krieg mit Neapel Söldner an. Wir haben gut ausgebildete Lanzenträger in Reservesold, die nur einberufen werden müssen. Astorre wird mit den besten noch vor Weihnachten auf dem Landweg nach Mailand ziehen, und wenn er einen Vertrag abschließen kann, wird er bis zum Frühjahr weitere Leute nachkommen lassen.«
»Aber auf den Flandern-Galeeren«, sagte er, »wäre ich ebenso unerreichbar für Lord Simon.«
Er wollte sie auf die Probe stellen. Aber sie hatte über diese Angelegenheit in vielen schlaflosen Nächten nachgedacht. »Du glaubst, du würdest von Simon aus der Stadt vertrieben?« fragte sie. »Davon ist keine Rede. Du hältst daran fest, daß die Schere ins Wasser gefallen ist und zwischen euch eingeklemmt wurde. Lord Simon will dazu offenbar nichts weiter sagen und bedauert nur, sich in unbeherrschtem Zorn zur Züchtigung eines Dienstboten herabgelassen zu haben. Er würde sich zum allgemeinen Gespött machen, wenn er dich jetzt verfolgen oder attackieren wollte.«
»Und Ihr glaubt nicht, daß ich ihn attackieren würde?« fragte Claes.
»Ich denke, ich kenne dich«, antwortete sie. »Eben darum habe ich Astorre gefragt, ob er dich nehmen will. Du hast einiges zu lernen.«
»Zum Beispiel das Kämpfen.« Sein Ton war weder heiter noch bitter, eher zerstreut, als wäre er mit den Gedanken woanders, »Demoiselle, ich bin zufrieden, ich sagte es schon. Und wenn Ihr mich kennt, ist Euch auch das bekannt.«
»Aber du hast deine Haut zu Markte getragen«, versetzte sie ein wenig traurig. Und weil er schwieg, fügte sie hinzu: »Im Stadtrat ist man besorgt. Es wird wegen der Geschehnisse zwar kein Verfahren eingeleitet und keiner wird mir befehlen, dich fortzuschicken. Aber du tätest gut daran, zunächst aus Brügge fortzugehen.«
»Genf liegt auf dem Weg nach Mailand«, sagte Claes, da sie nicht weitersprach. »Wird Hauptmann Astorre dort haltmachen? Habt Ihr das gemeint, als Ihr sagtet, ich hätte noch einiges zu lernen?«
Wenn Claes etwas wissen wollte, gab es kein Entrinnen vor der Intensität seines Blicks. Er schien nicht bekümmert, sein Gesicht war nur ein wenig schmaler als sonst, und hier und dort waren noch jene blassen blaugrünen Flecken vorhanden, deren Farben Felix an die Fenster der St. Salvatorkathedrale erinnert hatten.
Claes war aus Genf zu ihr gekommen, aus der Küche im Hause Jaak de Fleurys, dessen verstorbene Nichte den Jungen außerehelich geboren hatte. Michelle, Marians Schwester, war Thibault de Fleurys zweite Frau gewesen. Sie war inzwischen tot, und Thibault war alt und senil, doch Jaak de Fleury ging es glänzend wie eh und je. Wie auch seinem Pferd, seinem Esel, seiner Frau und seinem erfolgreichen Handels- und Bankunternehmen mit Hauptsitz in Genf.
Das Leben war ungerecht. Sie hatte Jaak viele Jahre nicht gesehen, seit Cornelis’ Tod nicht oder noch länger. Allein Handelsbeziehungen verbanden sie und de Fleury jetzt noch, und diese wurden mit steifer Förmlichkeit aufrechterhalten, weil beide Häuser aufeinander angewiesen waren. Herzlichkeit, persönliches Interesse oder freundschaftlichen Kontakt gab es zwischen ihnen nicht. Sie mochte Jaak de Fleury nicht, und er mochte sie nicht.
Und gerade weil sie selbst ihn nicht mochte, konnte sie sich vorstellen, wie Claikine zumute war. Auch wenn er von der Zeit in Genf nie gesprochen hatte. Jedenfalls nicht direkt.
Und jetzt schickte sie ihn ausgerechnet dorthin, wenn auch nur für kurze Zeit. Sie sah ihn an. »Ja, Astorre wird in Genf haltmachen. Wovor hast du Angst?«
Er betrachtete seine
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