Niccolòs Aufstieg
Liebestrank.«
Tobias Beventini war ein leicht reizbarer Mann, aber wenn es sein mußte, konnte er gelassen bleiben. »Hat er dir verraten, wo diese Pflanzen sonst noch wachsen?« fragte er.
Er wartete. Ein paarmal war Quilico zur Sache gekommen. Und dann hatte er den nächsten Becher getrunken. Und war unter die Bank gerutscht.
»Ja«, antwortete Claes. Seine Augen glänzten etwas zu stark, doch er lächelte noch. »Aber Ihr braucht ja kein Haarfärbemittel«, sagte er. »Und ich habe ohnehin schon vergessen, wie das Gebiet heißt, und Meester Quilico ist nicht mehr in Brügge. Ich weiß nicht, ob Ihr davon gehört habt? Er hat sich furchtbar betrunken, und da hat der Kommodore ihn in seinem Zorn auf einer Karacke nach Djerba verfrachtet,«
»Weißt du eigentlich, was du tust?« fragte Tobias.
Er wußte, daß er aufhören sollte. Er war Arzt.
Der Junge wußte genug, um kein Risiko einzugehen und sich zusammenzureißen. »Gerade Ihr müßtet doch wissen, wie die Leute im Fieber phantasieren. Ihr könnt ja wieder mit mir reden, wenn ich gesund bin, und sehen, ob ich dann immer noch dasselbe sage.«
»Keine Sorge«, erwiderte Tobias. »Du hast nichts gesagt. So, jetzt leg dich hin. Ich weiß nicht, warum ich überhaupt mit dir rede.«
»Nein?« fragte Claes. Seine Augen waren geschlossen, aber er sah sehr zufrieden aus. Übermütig beinahe.
Tobias ging nicht wieder hin, es war nicht nötig. Innerhalb einer Woche war Claes auf den Beinen, und in der Woche darauf konnte er bereits korrekt gekleidet und mit einem Haufen Bücher und Dokumenten auf dem Schoß unten dabeisitzen, wenn Julius die umständlichen Buchungsarbeiten erledigte, die nach den Einkäufen der Witwe anfielen.
Bei einer dieser Sitzungen stürmte Felix mit zornrotem Gesicht ins Zimmer und schrie: »Was soll das?«
Julius legte die Feder nieder. Claes sah auf.
»Jetzt nicht, Felix«, sagte Julius.
»Ihr habt mir nichts gesagt«, rief Felix. »Ich habe es eben erst erfahren. Ihr habt mir nichts gesagt!« Der Blick seiner schlichten Augen flog von Claes zum Konsulenten seiner Mutter und wieder zurück. »Wenn du gehst, gehe ich auch!« Wer ihn nicht kannte, hätte die Erklärung für eine Beteuerung blinder Treue und Ergebenheit gehalten. Tatsächlich jedoch steckte, wie Julius wußte, vor allem Gekränktheit dahinter.
»Deine Mutter wollte zuerst mit Claes sprechen«, sagte Julius. »Felix, geh nach oben. Deine Mutter wird das alles später mit dir besprechen.«
Claes, der nicht aus einer Schicht stammte, in der man Takt lernte, blickte fragend von Julius zu Felix. Julius öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
»Sie schicken dich weg«, rief Felix. »Nach -«
»Felix!« herrschte Julius ihn mit der Entschiedenheit an, die manchmal tatsächlich wirkte. Dann stand er auf, führte mit einer abwinkenden Geste zu Claes seinen Schützling energisch aus dem Zimmer und schloß die Tür.
Zehn Minuten später öffnete er sie wieder und führte seine Dienstherrin zu dem hochlehnigen Stuhl hinter dem Tisch, der eigentlich sein Platz war. Claes stand von seinem Hocker auf und wartete, die glänzenden Augen auf Marian de Charetty gerichtet, bis diese Platz genommen hatte. Julius ging hinaus, und auf eine auffordernde Geste seiner Herrin setzte sich Claes wieder. In der Stille musterte sie ihn einen Moment.
»Nun, Claikine«, sagte sie dann.
Der Name war ihm vertraut. So war er als Kind genannt worden, damals, als er schmutzig und verwahrlost zu den Charettys kam. Marian hatte ihn ihrer Schwester zuliebe aufgenommen, die mit dem ungeliebten Kind nicht blutsverwandt war, jedoch in die Familie eingeheiratet hatte, aus der es stammte. Die Familie de Fleury, deren Mitglieder in Dijon und Genf ansässig waren.
Wenn sie in den vergangenen Wochen an seinem Bett saß, hatte sie ihn bisweilen bei diesem Kindernamen gerufen: um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wenn sie abschweifte; um seinen Gedanken eine andere Wendung zu geben, wenn sie auf der Genesung abträgliche Bahnen gerieten. In den letzten zwei Wochen jedoch hatte sie seine Betreuung anderen überlassen.
Er lächelte. »Es gibt nichts, was Ihr mir schonend beibringen müßtet, Demoiselle. Ich bin nur dankbar, daß Ihr mich in Eurem Haus behalten habt und in den letzten Wochen, als ich mich nicht nützlich machen konnte, so gütig zu mir wart.«
Sie fragte sich, was ihm aus den ersten Tagen des Fiebers in Erinnerung geblieben war, ob er sich der Schreckensnächte erinnerte, da ein angstvolles
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