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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Überraschung, voll freundlicher Gelassenheit. »Madame Katelina! Verzeiht - alle sind unterwegs, um sich die Galeeren in Sluis anzusehen. Bitte, tretet doch ein. Womit kann ich Euch dienen?«
    Im Hof blieb Katelina mit ihrem Mädchen an der Seite stehen. »Es ist spät. Es tut mir leid. Ist vielleicht Euer Lehrling da?« fragte sie direkt.
    »Kommt. Bitte«, sagte Marian de Charetty. Sie hielt der Besucherin die Haustür auf und führte sie durch einen Flur und dann eine kurze Treppe hinauf in ein niedriges Zimmer, in dem ein Feuer brannte. Ein einzelner Stuhl mit hoher Lehne, auf dem allerhand Papiere lagen, zeigte, wo sie gesessen hatte. Mit einer Hand nahm sie die Papiere weg, bot Katelina Platz an und wies ihr Mädchen zu einem Hocker im Hintergrund. Sie selbst blieb stehen.
    »Ich habe mehrere Lehrlinge, Madame«, sagte sie, »und alle außer Claes sind in Sluis. Wen wolltet Ihr sprechen?«
    Es ist nicht immer leicht zu vollenden, was aus einem Impuls heraus begonnen wurde. Den Kopf unter dem kunstvoll geschlungenen Schleier hoch erhoben, sagte Katelina: »Ich habe soeben genauer gehört, was Eurem Lehrling Claes in Sluis widerfahren ist. Ich fühle mich mitverantwortlich… Der Streit, bei dem er verletzt wurde, begann mit einem anderen Vorfall, an dem ich beteiligt war. Ich möchte mich erkundigen, wie es ihm geht.«
    Über das runde, rotwangige Gesicht ihr gegenüber flog ein offenes Lächeln. »Macht Euch keine Vorwürfe«, sagte Marian de Charetty. »Es gibt kaum jemanden, der einen so unglaublich reizen kann wie Claes, wenn er seine Dummheiten macht. Das meiste, was ihm zustößt, hat er sich selbst zuzuschreiben. Und es geht ihm schon wieder viel besser. Er hätte ohne weiteres nach Sluis fahren können, aber der Arzt meinte, er solle sich seine Kräfte für die Reise sparen. Wartet. Ich rufe ihn. Dann könnt Ihr es mit eigenen Augen sehen.«
    »Für die Reise?« fragte Katelina.
    Doch die Witwe war schon gegangen, und als sie zurückkam, brachte sie Claes mit und führte ihn zu Katelina.
    Er roch nicht so übel wie sonst, vermutlich weil er zur Zeit nicht in der Färberei arbeitete, das abgetragene Wams und die Hose waren sauber, doch seine breitschultrige kräftige Gestalt schien ihr unverändert. Als sie den Blick zu seinem Gesicht hob, das sie nur flüchtig kannte, meinte sie zunächst, es sähe aus wie immer. Aber als knackend ein Scheit brach, bemerkte sie im Flammenschein, daß seine Augen tiefer in den Höhlen lagen, als sie in Erinnerung hatte. Dann erschienen die Grübchen, und er sagte: »Wie liebenswürdig von der Dame, sich die Mühe zu machen. Oder geschieht es auf Wunsch von Mylord Simon? Ich höre, daß er bei Schatzmeister Bladelin eingeladen ist.«
    Marian de Charettys Mund wurde schmal. Das reichte, um die Dinge in die richtige Perspektive zu rücken. Amüsiert sagte Katelina: »Das ist heute abend schon das zweite Mal, daß ich in die Schranken gewiesen werde. Das erste Mal war es Mylord Simon, wie du ihn nennst.«
    »Irgendwie muß man ihn ja nennen«, erwiderte der Lehrling.
    Marian de Charetty setzte sich. »Wir hatten gehofft, die Angelegenheit wäre erledigt«, sagte sie. »Sie ist den ganzen Klatsch nicht wert.«
    »Der wird sich legen, sobald Simon fort ist«, meinte Katelina. »Und Claes geht also auch fort?«
    »Sehr bald schon«, antwortete Marian de Charetty. »Er läßt die Färberküpen zurück und zieht nach Italien.« Lächelnd sah sie ihren Lehrling an. »Er reist mit meinem Hauptmann Astorre nach Mailand. Wenn alles so geht, wie wir hoffen, wird er vielleicht eine Zeitlang Soldat. Die Statur dafür hat er, meint Ihr nicht auch?«
    Das stimmte. Den Blick auf das vom Feuer beleuchtete Gesicht des Lehrlings gerichtet, fragte sich Katelina, wieso dennoch irgend etwas an dem Plan ihr merkwürdig erschien. Claes, hieß es, habe nie gekämpft. Er habe kaum gewußt, wie er sich gegen Simon wehren sollte. So ein Lehrling war nicht im ritterlichen Kampf ausgebildet. »Du wirst viel lernen müssen«, sagte sie. »Kannst du reiten?«
    Die Grübchen vertieften sich. Er schüttelte den Kopf. »Sie wollen mir das Pferd auf den Rücken binden.«
    Katelina wandte den Blick von ihm. »Ihr haltet es für besser, wenn er aus Brügge weggeht«, sagte sie zur Witwe. »Wahrscheinlich habt Ihr recht. Ich fürchte, er hat einen Feind in Lord Simon und einen zweiten in dessen Vater, dem Vicomte.«
    Noch immer verärgert über ihre eigene Unkenntnis der Dinge, tröstete es sie, daß die

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