Niccolòs Aufstieg
Karren, Maultieren, Lastpferden, Kisten und Fässern im Hof auch wirkte, der Troß gäbe bald schon ein besseres Bild ab, noch ehe sie den beschwerlichen dreiwöchigen Ritt südwärts durch Burgund bis zur kalten, windigen, aber reichen Handelsstadt Genf hinter sich hatten, wo alle Kaufleute und die Hälfte der Waren abgesetzt werden sollten.
Anschließend müßten sie allerdings den langgestreckten See umrunden und sich durch den Schnee zu dem Paß vorkämpfen, über den man nach Italien gelangte. Doch dann wären nur noch Charetty-Leute mit von der Partie. Astorre und seine zwölf Reiter, seine sechs berittenen Bogenschützen und seine achtzehn Reitknechte mit ihren Pferden und Maultieren. Außerdem ein zupackender schweizerischer Koch (denn Astorre hatte eine Leidenschaft für gutes Essen) namens Lukin. Und Astorres Schmied, ein Deutscher namens Manfred. Sowie Astorres Stellvertreter, ein grimmiger englischer Söldner namens Thomas, dem der arme Claes als Helfer und Lehrling zugesellt worden war. Felix hatte ihn beneidet. Als er Julius und Claes aus dem Hof reiten sah, war sein Gesicht ein Bild von Zorn und Wehmut gewesen.
Julius kannte die Männer alle. In der Zeit zwischen zwei Verträgen kamen sie immer wieder in die Gegend von Brügge und Löwen, und er ließ sich von ihnen berichten und zahlte ihnen Sold aus. Ehe er von den neuen Plänen der Witwe gehört hatte, war er davon ausgegangen, daß außer ihnen niemand zu dem Troß gehörte. Weit gefehlt. Sie hatten jetzt einen schwarzen Diener. Jenen, der nach dem Pokal getaucht war. Den der Pfandleiher Oudenin der Witwe geschenkt hatte. Und den die Witwe, um Mijnheer Oudenin nicht zu kränken, aber auch um nicht zu sehr in seiner Schuld zu stehen, mit auf die Reise geschickt hatte. Ein Hauch von Luxus.
Und das war noch nicht alles. Ein Mönch las für sie die Messen. Ein musikalischer Mönch namens Bruder Gilles, der, leider, zur Lieferung für die Medici in Florenz gehörte. Neben drei Garnituren Wandteppichen, in Vlies verpackten Goldschmiedearbeiten aus Paris, einer Mappe mit Briefen sowie vier teuren Hackneypferden mit verletzlichen Beinen, einem Geschenk für Cosimos Neffen Pierfrancesco.
Und schließlich, und fast genauso lästig, der kahlköpfige Arzt Tobias. Anscheinend war er mit Hauptmann Lionetto zerstritten und hatte sich mit Erfolg seinem Rivalen Astorre angedient. Meister Tobias war es, der im Verlauf der Reise nach Genf am meisten zu tun hatte, Hühneraugen entfernte und Einläufe verabreichte oder Pulver, die diese, so wurde gehofft, überflüssig machten. Julius, der Claes bei seinen täglichen Übungen beobachtete, war beruhigt, als der Arzt selbst in den ersten Tagen, als der grimmige Thomas Claes erbarmungslos herannahm, keinerlei Besorgnis zeigte.
Bedachte man Claes’ elenden Zustand vor wenigen Wochen, galt zweifellos: was ihn nicht umbrachte, machte ihn härter. Dennoch war erstaunlich, wie sehr diese Waffengänge ihn abhärteten. Je schlimmer die Strafen ausfielen, desto schneller lernte er, sie zu vermeiden. Und schon bald hielt er sich, selbst wenn der Sattel gelockert war und abrutschte, im Galopp auf seinem Pferd. Wenn sie sahen, wie es ihn durchschüttelte und wie der Eisenrand des topfförmigen Helms wie ein Deckel auf seiner Nase auf und ab tanzte, hob das die Laune eines jeden.
Später trieb Thomas ein altes, zweihändig zu führendes Schwert für ihn auf und zeigte ihm ein paar Finten, ehe er ihn mit seiner eigenen flachen Klinge außer Gefecht setzte. Und als die berittenen Söldner merkten, daß Claes ihnen nichts nachtrug, dafür aber ein geborener Erzähler lustiger Geschichten war, nahmen sie ihn in ihre Runde um das Feuer auf, egal in welcher Scheune sie die Nacht verbrachten (Astorre, Thomas und die anderen schliefen natürlich zu fünft im Bett eines bequemen Gasthofs), und behandelten ihn am nächsten Tag nachsichtiger. Selbst der Afrikaner schien einen Narren an ihm gefressen zu haben und wurde ein- oder zweimal geprügelt, weil er in die Scheune geschlichen war, statt auf dem Fußboden neben Julius’ Bett zu schlafen.
Er und Claes verständigten sich offenbar hauptsächlich in Zeichensprache und Katalanisch, wovon alle ein paar Brocken bei Lorenzo aufgeschnappt hatten. Der Mohr war sehr groß gewachsen, und seine Schultern waren breit. Bruder Gilles bekam es in seiner Gegenwart immer mit der Angst zu tun und fing an zu beten, was dem Mohren Spaß zu machen schien.
Und so ritten sie gemächlich gen Süden, mit
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