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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Niederlassungen zu gründen. Beim geringsten Anzeichen einer Bedrohung nahmen die Vermögenswerte der Medici in Form von Rechnungsbüchern und anonymen Dokumenten auf geheimnisvolle Weise den Weg über die Alpen in die Sicherheit von Florenz, Venedig und Rom. Das Handelshaus von Thibault und Jaak de Fleury sicherte sich ab mittels seiner über das Haus Charetty hergestellten Verbindungen mit Brügge und Burgund. Es war jedoch sorgsam darauf bedacht, sich die Wertschätzung Karls von Frankreich zu erhalten.
    Das alles ging Julius durch den Kopf, als sich der Troß aus Maultieren, Wagen und Söldnern durch die steilen Straßen hinauf zum Hotel de Fleury schlängelte, wo abgesessen und abgeladen werden sollte. Ganz in der Nähe sah er Claes, der sich mit seinem Pferd abmühte. Der Zinnhelm war ihm auf die Nase gerutscht. Aus einem plötzlichen Impuls heraus richtete Julius das Wort an ihn. »Es ist sicher kein Vergnügen für dich, Monsieur und Madame de Fleury wiederzusehen. Ich freue mich auch nicht darauf. Sie waren sehr unbarmherzig mit dir.«
    Claes zog seine weichen Lippen in die Breite. »Ach, das habe ich schon vergessen. Ich hatte mich an die Fußfesseln gewöhnt. Und morgens haben sie mir meinen Kopf ja immer wieder aufgerichtet, bis der Strick riß.«
    »Sie haben dich wie einen Sklaven behandelt. Noch als du schon weg warst, haben die Leute darüber geredet. Hegst du keinen Groll gegen sie?«
    »Wenn Ihr wollt, versuche ich es«, meinte Claes.
    »Sei nicht albern«, entgegnete Julius kurz angebunden.
    Er gab seinem Pferd die Sporen. Und er rief sich erneut ins Gedächtnis: Mit Claes zu reden war ein Fehler.
    Der Rechtskonsulent der Charettys hatte dem Arzt absichtlich nur eine recht unvollständige Beschreibung der Familie Fleury gegeben und diesen damit neugierig gemacht. Neugierig in erster Linie auf Julius selbst, der ihm eine seltsame Mischung aus Unschuld und Ehrgeiz zu sein schien. Die Witwe Charetty, vermutete Tobias, hatte Julius in irgendeiner Weise enttäuscht. Nun hoffte er offenbar, sein Glück im Gefolge einer großen Söldnertruppe zu machen. Er war ein fähiger Buchhalter, und vielleicht hatte er recht. In Hauptmann Astorre erkannte Tobias, der ein Jahr lang Lionettos unschöne Gewohnheiten beobachtet hatte, einen Mann von gleichem Ehrgeiz und wohl auch von gleicher Prinzipienlosigkeit, der aber rauhbeinig die Rechte seiner Männer achtete, um die Lionetto sich nie gekümmert hatte. Astorre wollte, vermutete Tobias, ehe er zu alt wurde, noch die großen Auszeichnungen ergattern, die ihm bislang versagt geblieben waren - Ruhm, das mit einem Lorbeerkranz geschmückte Standbild auf dem Marktplatz. Schon nach einem halben Tag in Gesellschaft Astorres war sich Tobias dessen sicher gewesen.
    Tobias wußte, daß Astorre ihn beobachtete, aber er mäßigte seine scharfe Zunge keineswegs. Wenn Astorre ihn nicht behalten wollte, konnte er es sagen. Doch er würde ihn behalten wollen. Tobias wußte über Lionetto Bescheid, der ebenfalls nach den großen Auszeichnungen strebte und geschworen hatte, sich Astorre in den Weg zu stellen, falls dieser ihn daran zu hindern suchte. Irgendwann einmal, wenn er Vertrauen gefaßt hatte, würde Astorre Tobias über Lionetto ausfragen. Einstweilen ließ der Gedanke an Lionetto Tobias noch gelegentlich zusammenfahren.
    Und Astorre würde ihn aus weit wichtigeren Gründen behalten wollen. Tobias war der beste Arzt diesseits der Alpen, und vielleicht auch jenseits. Vielleicht. Das war es, was er gewissermaßen zu beweisen suchte. Bei der Betreuung von Heerestruppen stieß man auf jede den Menschen bekannte medizinische Schwierigkeit, außer auf Geburten vielleicht. Das ganze letzte Jahr hatte er mit einer fast wütenden Hingabe gearbeitet und Dinge entdeckt und Dinge getan, die er nicht für möglich gehalten hatte.
    Darunter auch die Heilung dieses Jungen, die ihn hierhergeführt hatte. Claes, der im Hause Fleury nicht zu Schaden kommen durfte. Oder zumindest nicht, ehe er und Tobias ein Gespräch über Haarfärbemittel und Liebestränke und Stechpalmen geführt hatten.
    Das Hotel de Fleury war imposant. In dem weitläufigen Hof nahm ihr Troß sich verschwindend klein aus, und die verschiedenen Bereiche der Kellergewölbe faßten alles: die Pelze der Doria und die Lachsfässer der Strozzi; die Waren der Charetty, die Jaak verkaufen sollte; und die Kommissionsgüter der fünf Kaufleute, die mit ihnen geritten waren und denen das Vorrecht, ihre Waren bis zum nächsten

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